In goldfarbenem Rahmen und mit goldfarbenen Streifen - so präsentiert die TSG 1899 Hoffenheim diese Woche ihr Sondertrikot zum 125-jährigen Bestehen. Dass derzeit nicht alles Gold ist, was bei den Kraichgauern glänzt, wäre ziemlich untertrieben. Inmitten seiner größten Krise seit dem Aufstieg in die Fußball-Bundesliga 2008 startet der einstige Dorfklub nun in seine vierte Europacup-Saison.
Trainer Pellegrino Matarazzo braucht beim dänischen Tabellenführer FC Midtjylland am Mittwoch (21.00 Uhr/RTL) in der Europa League dringend einen Sieg, damit seine Profis am Sonntag im Liga-Alltag gegen Werder Bremen - in den Jubiläumshemden - womöglich nicht schon um seinen Job spielen müssen. Ausgerechnet Torjäger Andrej Kramaric fehlt zum Auftakt erkrankt.
Fans erbost über Vereinspolitik
Mit ihrer Tabula-rasa-Aktion - neben dem langjährigen Manager Alexander Rosen musste inmitten der Saisonvorbereitung fast die komplette Geschäftsführung gehen - haben die TSG-Verantwortlichen derart für Unruhe gesorgt, dass die Fans der Mannschaft bisher die Unterstützung bei den Spielen verweigern. Dass Matarazzo und die Profis in der verfahrenen Situation die Leidtragenden sind, sehen sie auch. Aber: Der Streit mit der Geschäftsführung um den verbliebenen Vorsitzenden Markus Schütz und dem neuen Vereinspräsidenten Jörg Albrecht konnte bislang nicht beilegt werden.
Kapitän Oliver Baumann hat die Fans nun aufgefordert, ihren Stimmungsboykott zu beenden. «Nur gemeinsam können und werden wir in dieser Saison etwas erreichen. Wir als Mannschaft auf dem Platz brauchen Euch, ohne Wenn und Aber», schrieb der 34 Jahre alte Torhüter im Clubmagazin «Spielfeld» und ergänzte: «Die PreZero Arena ist schließlich keine Bibliothek.»
Matarazzo sieht sich nach zuletzt drei Niederlagen und elf Gegentoren in vier Spielen immer wieder gezwungen, auf die Zunge zu beißen: «Wenn ich was sagen würde, wäre das Feuer noch größer.» Es gehe darum, «diese externen Störgeräusche hinter uns zu lassen.» Einen Seitenhieb gegen die TSG-Verantwortlichen gab es zuletzt aber doch: «Ich mache meinen Job so, wie es mit dieser Mannschaft geht.»
Doppelt so viel für Transfers ausgegeben wie eingenommen
Durch Rosens erzwungenen Abgang wurden die Hoffenheimer erst spät, wenn auch emsig auf dem Transfermarkt aktiv. Von den neuen Spielern, von Interimssportchef Frank Kramer aktiviert und präsentiert, hat bisher kaum einer eingeschlagen. Auffällig, dass der selbst ernannte Ausbildungsverein diesen Sommer etwa für 60 Millionen Euro eingekauft, aber nur etwa 30 Millionen eingenommen hat - vor allem durch den Wechsel von Nationalspieler Maximilian Beier zu Borussia Dortmund.
Weiter geschwächt wurde Matarazzos Position auch durch vom Verein unwidersprochene Meldungen, wonach die TSG sich beim DFB über die mögliche Verfügbarkeit von Sandro Wagner, Co-Trainer der Nationalmannschaft, erkundigt habe. Der frühere Hoffenheimer Stürmer ist laut DFB-Sportdirektor Rudi Völler aber zumindest bis zur WM 2026 fest als Nagelsmann-Assistent eingeplant und soll demnach zu keinem Bundesligisten wechseln.
Wie groß ist der Einfluss von Hopp noch?
Wer derzeit im Clubzentrum in Zuzenhausen wirklich entscheidenden Einfluss hat, bleibt nach wilden Wochen ohnehin unklar: Sicher immer noch Mäzen Dietmar Hopp und seine Berater, auch wenn der Gesellschafter und Milliardär seine Stimmmehrheit abgegeben hat. Hopp ist inzwischen selbst bei den eigenen Anhängern in Ungnade gefallen. Seit Monaten wehren sich die Fans auch auf Plakaten gegen den Einfluss der Spielberateragentur Rogon von Roger Wittmann in Hoffenheim.
In der Europa League hoffen Matarazzo und sein Team nun auf Ablenkung und vor allem Erfolgserlebnisse. «Dafür haben wir die vergangene Saison jeden Tag hart gearbeitet. Es ist immer etwas Besonderes, in Europa zu spielen», sagte Kramaric vor seinem Ausfall. Angreifer Marius Bülter meinte: «Es wird jetzt wichtig, wieder Spiele zu gewinnen. Wir freuen uns, dass am Mittwoch unsere internationale Reise losgeht.» Viel spannender finden Fans, Mitglieder und Experten die Frage, wohin die Reise der TSG in dieser Saison und in Zukunft geht.