Häftlinge in Baden-Württemberg sollen künftig in ihren Gefängniszellen im Internet surfen können. Das sogenannte Haftraummediensystem soll in einer Anstalt des offenen Vollzuges in Ulm und einer Anstalt des Frauenvollzuges in Schwäbisch Gmünd getestet werden, wie ein Sprecher des Justizministeriums mitteilte. Wann das Pilotprojekt startet, stand zunächst nicht fest. Derzeit laufe das Vergabeverfahren.
Angekündigt hatten das Pilotprojekt im Herbst 2022 die Koalitionsfraktionen CDU und Grüne sowie das Justizministerium. Es sollte in diesem Jahr starten. Gefangenen soll mit dem Pilotprojekt nach verbüßter Strafe auch die Rückkehr in die Gesellschaft erleichtert werden. 200.000 Euro wurden für den Modellversuch «Resozialisierung durch Digitalisierung» veranschlagt.
Beschränkter Zugang zum Netz
Der Zugang zum Netz wird laut Justizministerium eingeschränkt und kontrolliert. Im Vergleich zu normalen Laptops oder Computern seien Haftraummediensysteme so konzipiert, dass sie streng kontrollierbar seien.
Sie sollen den Häftlingen digitale Services bieten – darunter einen gesicherten Zugang zum Internet, gesichertes E-Mailing, Videotelefonie, E-Learning sowie ein Gefängnis-internes Schwarzes Brett. Frühere Pläne sahen auch Musik- und Filmangebote sowie Seelsorge vor. In den aktuellen Plänen ist von Fernsehen und Radio die Rede. «Die Seelsorge wird grundsätzlich weiterhin von den Seelsorgern vor Ort in den Anstalten erbracht», sagte der Sprecher.
Der offene Vollzug in Ulm bietet Platz für 153 Häftlinge. Die Anstalt in Schwäbisch Gmünd verfügt über mehrere Hundert Haftplätze. «Bei der Entscheidung für diese Standorte haben technische und vollzugliche Faktoren eine Rolle gespielt», erklärte der Sprecher. Wie viele Zellen ausgestattet werden sollen, war noch offen.
Einen Austausch über eine mögliche Ausgestaltung des Projekts gab es den Angaben nach mit den schweizerischen Justizbehörden, die an einer «Digitalstrategie Justizvollzug 2030» arbeiten. Und auch bundesweit seien bereits Computer im Rahmen von Pilotprojekten in Gefängnissen im Einsatz.
In Berlin etwa können Häftlinge inzwischen in drei Gefängnissen im Internet surfen. Nach dem Start eines entsprechenden Pilotprojekts Ende 2022 in der Justizvollzugsanstalt für Frauen im Stadtteil Lichtenberg waren zwei weitere Vollzugsanstalten gefolgt. Mehr als 700 Gefangene haben in der Hauptstadt Zugang zu verschiedenen Internetdiensten.
«Ohne Internetzugang ist die Wohnungs- und Jobsuche sowie der Kontakt zu Behörden und Sozialarbeitern nur schwer möglich», hatte Justizministerin Marion Gentges (CDU) Anfang des Jahres gesagt. Aber natürlich sei auch klar, dass die Nutzung an Bedingungen und Regeln gebunden sei. «Sinn und Zweck der Digitalisierung in Hafträumen ist nicht, dass die Häftlinge nur Computer spielen oder unkontrolliert im Internet surfen.»