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Tausende feiern Einheitsfest - Scholz: Einheit unvollendet

Drei Tage lang wird in Schwerin die Deutsche Einheit gefeiert. Bei einer zentralen Feier im Mecklenburgischen Staatstheater findet Kanzler Scholz mahnende, aber auch lobende Worte.
Zentrale Feier zum Tag der Deutschen Einheit
Zentrale Feier zum Tag der Deutschen Einheit
Zentrale Feier zum Tag der Deutschen Einheit

In Schwerin haben Tausende Menschen den Tag der Deutschen Einheit gefeiert. Trotz herbstlicher Kühle flanierten sie ungezwungen durch die Innenstadt und nutzten die Gelegenheit, sich an den Pavillons der Bundesländer, von Bundeseinrichtungen und an unzähligen Ständen von Verbänden und Behörden über deren Angebote und Arbeit zu informieren. Mitmachmöglichkeiten wurden vor allem von jungen Besuchern genutzt. Dicht umlagert waren auch die Verkaufsstände, an denen regionaltypische Speisen und Getränke aus allen Teilen Deutschlands angeboten wurden.

Scholz sieht Einheit noch nicht vollendet  

Beim Festakt zum 34. Jahrestag der Deutschen Einheit im Mecklenburgischen Staatstheater beschrieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Zusammenwachsen von Ost und West als weit vorangeschrittenen, aber unvollendeten Prozess. Vor den rund 450 geladenen Gästen, unter ihnen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, mahnte der Kanzler, die Brüche nicht zu vergessen, die die gewonnene Freiheit für das Leben vieler Ostdeutscher mit sich brachte. 

«Ich verrate hier kein Geheimnis: Vollendet in diesem Sinne ist die Deutsche Einheit auch nach 34 Jahren natürlich nicht», sagte der Kanzler. Rufe man sich jedoch die damalige Ausgangslage in Erinnerung, «dann sind wir gleichwohl weit vorangekommen».

Schwesig: Haben allen Grund, stolz und dankbar zu sein

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) würdigte als Bundesratspräsidentin und damit Gastgeberin der Feierlichkeiten die Leistung jener, die mit «ihrer friedlichen Revolution die Diktatur und die innerdeutsche Grenze zu Fall gebracht» haben. Als im Westen kaum jemand an Veränderungen im Osten geglaubt habe, hätten die Menschen in der DDR Freiheit und Demokratie gefordert und auch erreicht. 

«Seit 34 Jahren in einem vereinten Land in Frieden, Freiheit und Demokratie» zu leben, sei alles andere als selbstverständlich. «Wir haben allen Grund, stolz und dankbar unseren Nationalfeiertag gemeinsam zu feiern», sagte Schwesig. Sie erinnerte zugleich aber daran, dass sich mit der Einheit für viele Menschen im Osten das Leben radikal geändert habe. Löhne und Vermögen im Osten seien weiterhin geringer als im Westen. «Wir sind auf dem Weg zu gleichwertigen Lebensverhältnissen weit vorangekommen. Aber wir haben unser Ziel noch nicht erreicht», konstatierte Schwesig. Sie mahnte, der Osten müsse künftig stärker wahrnehmbar sein – in Debatten wie in Führungspositionen. 

Scholz: Leistungen im Osten nicht kleinreden 

Auch Scholz rief dazu auf, niemals die auch negativen Folgen der Wiedervereinigung für die Menschen im Osten zu vergessen. «Für Millionen (...) bedeutete der Umbruch damals Befreiung und Neuanfang. Aber für Millionen war der Umbruch in den Jahren nach der Einheit vor allem eines: ein Zusammenbruch.» Das gehöre auch zur Geschichte Deutschlands seit 1990. Doch sei ihm auch wichtig, klar zu sagen: «Wir sollten niemals vergessen und kleinreden, was im Osten seit 1990 geleistet, was hier aufgebaut wurde – und wie weit wir gemeinsam vorangekommen sind in Deutschland insgesamt.»

Kanzler: Mitte viel größer als Radikale an den Rändern

Auch zu den jüngsten Wahlergebnissen nahm Scholz Stellung: Nicht nur in Ostdeutschland «erleben wir Landtagswahlen, bei denen sich manchmal bis zu einem Drittel der Wählerinnen und Wähler gerade für eine autoritäre und nationalradikale Politik entscheidet» und für Populisten, die die freiheitliche Demokratie bekämpften. Das sei verhängnisvoll und schade dem gesamten Land. «Es wird noch viel harte Arbeit nötig sein, um diese Entwicklung zurückzudrehen», sagte Scholz.

Gleichzeitig betonte er, die ganz große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger überall in Deutschland stehe fest auf dem Boden der freiheitlichen Ordnung. «Das sind die Vernünftigen und die Anständigen. Das sind die, die nicht nur motzen, sondern anpacken für unser Land.» Diese Mitte sei viel größer als die Radikalen an den Rändern. 

Bischöfe erinnern an Friedliche Revolution 

Zum Auftakt der Feiern unter dem Motto «Vereint Segel setzen» hatten Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt und Erzbischof Heiner Koch zu einem ökumenischen Gottesdienst in den Schweriner Dom geladen. In ihren Predigten beschworen sie den Geist der Friedlichen Revolution in der DDR und riefen dazu auf, Demokratie und Freiheit zu verteidigen. Die Herausforderungen und Bedrohungen seien aktuell andere als im Herbst 1989. Doch gehe es auch heute darum, zusammenzustehen, Kurs zu halten und nicht aufzugeben. «Wir lassen uns nicht wieder wegnehmen, wofür Menschen auch aus diesem Dom vor 35 Jahren auf die Straße gegangen sind», sagte die Landesbischöfin der evangelischen Nordkirche.

Saarlands Ministerpräsidentin Rehlinger übernimmt Staffelstab 

Mit der Ausrichtung der zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit endet für Schwesig ihre einjährige Amtszeit als Bundesratspräsidentin. Sie gab symbolisch den Staffelstab weiter an die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD), die ihre Präsidentschaft unter das Motto «Zukunft durch Wandel» stellte. Das Saarland freue sich darauf, in einem Jahr Gastgeber für die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit zu sein.

Das dreitägige Bürgerfest in Schwerin dauert noch bis Freitag. Zum Konzert mit Roland Kaiser am Donnerstagabend kamen 10.000 Menschen. Viele Fans sicherten sich schon frühzeitig die besten Plätze. Vor der Hauptbühne am Alten Garten campten schon morgens die ersten Schlagerfreunde, die zum Teil aus Frankfurt/Main angereist waren. «Ich finde, dieser Tag ist auch dein Tag der Herzen», rief Kaiser seinen Fans von der Bühne aus zu. «Dass wir Deutschen Einigkeit und Recht und Freiheit feiern dürfen heute, ist für uns alle ein großer Tag.» Die Möglichkeit, kostenlos das Schloss mit Museum und Landtag zu besichtigen, nutzen sehr viele Menschen.

© dpa
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