Die Stiftungsexpertin Birgit Weitemeyer hält an ihrem Gutachterurteil fest, dass die Klimaschutzstiftung Mecklenburg-Vorpommern unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine Anfang 2022 hätte aufgelöst werden können.
Ob die damals von ihr angeführten Gründe allerdings auch heute noch ihre Gültigkeit hätten, müsste einer neuerlichen Prüfung unterzogen werden, sagte die Hamburger Rechtsprofessorin in Schwerin. Sie war als Zeugin vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages geladen, der die Vorgänge um die Klimaschutzstiftung aufklären soll. Die Stiftung finanziert sich vor allem mit Geld aus Russland.
Weitemeyer: Kein Gefälligkeitsgutachten
Weitemeyer war im Frühjahr 2022 von der Landesregierung damit beauftragt worden, in einem Gutachten zu klären, ob der vom Landtag an die Regierung erteilte Auftrag zur Stiftungsauflösung rechtlich sicher umzusetzen ist. Sie habe das bejaht: Zum einen, weil der Stiftungszweck unter anderem aufgrund der damals unklaren Finanzlage nicht mehr dauerhaft und nachhaltig habe erfüllt werden können. Zum anderen sei in der Satzung eine Auflösungsklausel enthalten gewesen für den Fall einer wesentlichen Änderung der Umstände. «Ich kann mir keine größere Änderung der Umstände vorstellen, als ein weiterer Krieg in unserer näheren Umgebung», sagte die Juristin.
Sie betonte auf Nachfrage von Abgeordneten, dass sie von der Landesregierung ausdrücklich aufgefordert worden sei, die juristische Begutachtung mit offenem Ausgang vorzunehmen, und das habe sie auch getan. «Für 10.000 Euro mache ich kein Gefälligkeitsgutachten», sagte Weitemeyer. Es sei allerdings üblich, mit dem Auftraggeber vor der Veröffentlichung über die Ergebnisse zu reden. Auf diese Weise sei ein weiteres Argument für die Auflösung, das der Sittenwidrigkeit, wieder herausgenommen worden. Es sei rechtlich eher schwach gewesen und hätte zudem zu schiefen Vergleichen führen können, sagte die Gutachterin.
Kritik von den Grünen und CDU
Nach Ansicht des Ausschussmitglieds der Grünen, Hannes Damm, wurde das Gutachten nach dem Gespräch der Stiftungsexpertin mit Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Innenminister Christian Pegel (beide SPD) inhaltlich abgeschwächt. «Es wäre für Manuela Schwesig ein erheblicher Gesichtsverlust gewesen, hätte ihr die eigene Gutachterin attestiert, dass schon die Gründung der Stiftung sittenwidrig war. Doch durch die Abschwächung des Gutachtens ging ein wichtiges Argument für die Auflösung der Stiftung verloren», erklärte Damm. Er warf der Regierung vor, auch damit die vom Landtag geforderte Auflösung der Stiftung gezielt untergraben zu haben.
Auch der CDU-Abgeordnete Sebastian Ehlers kam nach Ende der Ausschusssitzung zu dem Schluss, dass die Staatskanzlei die Auflösung der Klimaschutzstiftung systematisch erschwert habe. Es habe sich der Eindruck verfestigt, dass der Wille von Ministerpräsidentin Schwesig zur Auflösung der Stiftung offenbar sehr begrenzt sei. «Dass ein juristisch sauber herausgearbeiteter Auflösungsgrund gestrichen wurde, ist nicht nachvollziehbar. Es muss angenommen werden, dass es der Ministerpräsidentin fast schon darauf ankam, dem Gutachten ein unliebsames juristisches Argument für eine Auflösung zu nehmen und es somit abzuschwächen», sagte Ehlers.
Stiftungsaufsicht sah keine Möglichkeit zur Auflösung
Die bis vor kurzem vom früheren Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD) geführte Stiftung hatte selbst ein Gutachten in Auftrag gegeben, das zu dem Ergebnis gekommen war, dass das Stiftungsrecht der Auflösungen entgegensteht. Auch nach Überzeugung der Stiftungsaufsicht bestand keine rechtliche Grundlage, die Auflösung umzusetzen. Sie habe keine Möglichkeit gesehen, die Stiftung aufzulösen, sagte die zuständige Referatsleiterin aus dem Justizministerium, die ebenfalls als Zeugin gehört wurde.
Für die Erfüllung des eigentlichen Zwecks, Projekte des Klima- und Umweltschutzes zu finanzieren, sei ausreichend Geld vorhanden gewesen. Der Nebenzweck, die Unterstützung der Fertigstellung der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2, sei laut Satzung ohnehin zeitlich befristet gewesen. «Oberster Zweck einer Stiftung ist die Zweckerfüllung», sagte die Ministeriumsmitarbeiterin. Solange dies gesichert sei, bestehe eine Stiftung fort. Zwar sei das Motiv für die zügig umgesetzte Gründung die Fertigstellung der Gasleitung gewesen, der satzungsmäßige Zweck aber der Umwelt- und Klimaschutz.
Stiftung sollte bei Fertigstellung von Nord Stream 2 helfen
Die Stiftung war Anfang 2021 gegründet worden, um die Fertigstellung der Erdgasleitung Nord Stream 2 unter Umgehung der US-Sanktionen zu ermöglichen, was auch gelang. Der von der Opposition initiierte Sonderausschuss soll unter anderem klären, wie groß der Einfluss der russischen Geldgeber auf die damalige SPD/CDU-Landesregierung bei der Stiftungsgründung war.
Nord Stream 2, Tochterunternehmen des russischen Staatskonzerns Gazprom, war mit 20 Millionen Euro der größte Geldgeber für die Klimaschutzstiftung MV. Das Land als Stiftungsgründer hatte als Grundstock 200.000 Euro eingebracht. Nord Stream 2 finanzierte außerdem die wirtschaftlichen Aktivitäten zur Fertigstellung der russisch-deutschen Gasleitung unter dem Dach der Stiftung mit mindestens 165 Millionen Euro. Dieser Teil der Stiftung wurde zwischenzeitlich abgewickelt.