Immer mehr Autohersteller setzen auf separate Displays für die Beifahrer. Dieser Trend wird maßgeblich von China vorangetrieben. Jan Burgard vom Strategieberater Berylls in München begründet das so: «Dort ist vielen Kunden die Bildschirmdiagonale längst wichtiger als der Hubraum oder die Motorleistung, und mit der Elektrifizierung und der Austauschbarkeit der Antriebe hat sich diese Entwicklung noch beschleunigt.»
Auf China-Kurs bei den Bildschirmen
Auf dem europäischen Markt hat das einen doppelten Effekt: Mit den zahlreichen chinesischen Newcomern kommen auch viele entsprechend ausgerüstete Fahrzeuge etwa von Denza oder Voyah ins Land. Und weil die deutschen Hersteller mittlerweile ihren größten Absatz in China haben, rüsten sie entsprechende auf: Mercedes E-Klasse, Audi Q6 E-Tron, Porsche Macan, BMW 5er – überall gibt es mittlerweile zumindest als Option auch einen Bildschirm für den Beifahrer.
Im Grunde war diese Entwicklung allerdings auch überfällig: Denn während der Fahrer schon seit mittlerweile über zehn Jahre auf digitale Displays schauen darf und es für die Hinterbänkler noch viel länger zumindest als Sonderausstattung eigene Bildschirme gibt, hat der Beifahrer bislang ins Leere gestarrt.
Ablenkung für den Fahrer lange befürchtet
Dass sich das zumindest bei uns erst so langsam ändert, liegt nicht zuletzt am Gesetzgeber. Denn die Behörden haben eine Ablenkung des Fahrers befürchtet und deshalb lange die Genehmigung für solche Systeme verweigert, erläutert Mercedes-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer. Zumindest, wenn darauf mehr angezeigt werden sollte als die Landkarte, der Radiosender oder der Bordcomputer.
Erst durch den Einsatz einer Privacy-Funktion, die die Einsehbarkeit auf das Beifahrerdisplay für den Fahrer verhindert, habe es eine Zulassung für mobiles Surfen oder Streamen gegeben. Und davon wollen die Schwaben künftig reichlich Gebrauch machen: Wenn im nächsten Jahr mit der neuen Generation des CLA die MMA-Architektur kommt und mit ihr auch die nächste Generation an Infotainment, werden alle kommenden Mercedes-Modelle einen Bildschirm quer durchs ganze Cockpit bekommen, kündigt Schäfer an und will diese digitale Leinwand dann auch entsprechend bunt bespielen.
Bildschirme sind nicht immer alles
Zwar boomen aktuell die Bildschirme und es ist längst der von Berylls-Mann Burgard beschriebene Wettkampf um Auflösung und Ausdehnung entbrannt. Doch nicht jeder macht dabei mit: Wenn BMW im nächsten Jahr die sogenannte Neue Klasse bringt, wird es dort nur einen Bildschirm in der Mitte und stattdessen das erste Head-up-Display geben, das sich über die gesamte Breite der Frontscheibe erstreckt, stellt Entwicklungsvorstand Frank Weber in Aussicht: In weiten Teilen frei konfigurierbar und für den Beifahrer genauso zu sehen wie für den Fahrer, so Weber weiter.
Und dieses Panoramic Vision Display ist nur eines von vielen Beispielen, das diese Gegenbewegung verdeutlicht. Ein weiteres sieht man am unteren Ende des Marktes:
Während die mittleren Bildschirme immer größer werden und mehr inhaltlichen Tiefgang bekommen, wird es Autos wie dem neuen Mini oder dem Volvo EX30 hinter dem Lenkrad dafür dunkel. Damit schlagen die Hersteller zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Designer loben die klare, cleane Optik und die Buchhalter die geringeren Kosten.