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Wracktauchen: Die Faszination gesunkener Schiffe

Rund um Schiffswracks bildet sich eine einzigartige Unterwasserwelt - nicht nur deshalb ziehen sie weltweit Taucher an. Es geht auch um die Schicksale der Menschen an Bord und den stetigen Verfall.
Taucher erkunden ein U-Boot-Wrack in Südfrankreich
Ein Taucher im Wrack der Domator in Hyères
Wrack der Donator in Hyères
Taucher in Scharm el Scheich
Wracks liegen im Meer vor Gulen bei Bergen
Das Wrack eines Flugzeugs auf Korsika
Wrack vor Aruba
Wrack «The Kappel» auf Aruba
Wrack des Frachters «Jane C»

Eine verwitterte Flak, von Sediment überzogene Militär-Motorräder und Schützenpanzer, dazwischen bunte Fische: Das Wrack der «SS Thistlegorm» vor der ägyptischen Sinai-Halbinsel im Roten Meer zieht Jahr für Jahr Tausende Taucher an. 

Im Zweiten Weltkrieg wurde das britische Frachtschiff versenkt und erst 1956 vom französischen Ozeanforscher Jacques Cousteau wieder entdeckt. Es liegt in rund 30 Meter Tiefe – vergleichsweise gut erhalten und gut erreichbar. Eine Kombination, die das Wrack zu einem begehrten Tauchspot macht.

Gesunkene Schiffe im Meer, zu denen sich abtauchen lässt, gibt es weltweit, von Norwegen bis Malta, von Aruba bis Australien. Die Faszination, die sie ausüben, ist vermutlich mit einer Mischung aus Dramatik, Vergänglichkeit und Naturerlebnis zu erklären. Die Menschen an Bord haben oft ihr Leben verloren, die Substanz des Schiffs wird langsam zersetzt und Meerespflanzen und Fische nutzen es als neue Heimstätte.

«Wracks sind Fremdkörper auf dem Meeresgrund, doch sie werden über die Jahre und Jahrzehnte zu künstlichen Riffen», sagt der Tauchinstrukteur Frank Ostheimer vom Verband Deutscher Sporttaucher. «Sie werden also von der Natur in Beschlag genommen und zerfallen über die Zeit auch immer mehr.»

Korallen an versenktem Frachter in der Karibik

Besonders farbenfroh zeigt sich das am Wrack des Frachters «Jane C», der in 27 Meter Tiefe vor der Karibikinsel Aruba liegt. Bunte Korallen haben sich an Teilen der Außenhülle des Wracks gebildet, Mantarochen und Muränen schwimmen umher. 

Und eine abenteuerliche Geschichte hat der Frachter auch zu bieten: Zollbeamte des Landes sollen an Bord mehrere Tonnen Kokain entdeckt und das Schiff darum 1988 versenkt haben, damit es als künstliches Riff herhalten kann, schreibt die arubanische Tourismusbehörde. Legende oder Wahrheit? Eine gute Story ist es allemal.

Dass ein Schiff versenkt wird, um als künstliches Riff und Tauchspot zu dienen, kommt immer mal wieder vor. 2022 wurde beispielsweise vor der maltesischen Insel Gozo der havarierte Öltanker «MV Hephaestus» versenkt – vorher sei er sorgfältig von Öl- und Schmierstoffrückständen gereinigt worden, versicherten Offizielle damals.

Immer mehr Möglichkeiten zum Wracktauchen

Angebote und Orte zum Wracktauchen nehmen zu, ist der Eindruck von Frank Ostheimer. Einerseits werden immer wieder neue Schiffe entdeckt, in der Ostsee etwa. Andererseits, so der Fachmann, tragen Naturschutzmaßnahmen etwa am Mittelmeer dazu bei, dass sich die Unterwasserwelt erholt und attraktiver wird für Taucher – auch zum Erkunden von Wracks.

In Spanien an der Costa Brava oder vor Mallorca, in Kroatien vor der Insel Rab oder der istrischen Stadt Pula oder vor der Westküste Siziliens, wo bei Trapani mit der «Pavlov» gut erreichbar ein 1978 gesunkener Tanker liegt: Möglichkeiten zum Wracktauchen gibt es allein in Europa eine Menge, berichtete kürzlich die Fachzeitschrift «touristik aktuell».

Tauchprofi Ostheimer empfiehlt persönlich Hyères in Südfrankreich. Dort lägen eine ganze Reihe von Wracks – oft aus dem Zweiten Weltkrieg, zum Teil älter. Mindestens zwei von ihnen ragten bis an die Wasseroberfläche und seien für Einsteiger ideal zum Erkunden. «Hier liegt auch die Donator, eines der schönsten Wracks weltweit – mit einem Bewuchs und einer Fischvielfalt, die mit den Tropen vergleichbar ist», schwärmt Ostheimer. 

Kriegsschiffe in Norwegen und Schottland

Weitere spannende Tauchreviere liegen in Norwegen. «Hier gibt es viele Wracks aus dem Zweiten Weltkrieg», sagt Ostheimer. «Sie sind damals oft nachts und durch Ufernähe geschützt gefahren und haben, wenn sie bombardiert wurden, noch versucht, auf Land aufzusetzen.» Ein Spot mit mehreren küstennahen Wracks liegt im Meer vor Gulen bei Bergen. Das Wasser ist hier frisch, das ist also nur etwas für Kaltwasser-erprobte Taucher.

Kriegsschiffe auf dem Meeresgrund liegen auch in Scapa Flow, einer Bucht zwischen den Orkney Inseln im Norden Schottlands. Sie wurde schon im Ersten Weltkrieg als natürlicher Hafen genutzt - die festgesetzte deutsche Hochseeflotte hat sich hier Monate nach Kriegsende und wenige Tage vor der Unterzeichnung des Vertrags von Versailles im Juni 1919 selbst versenkt. Heute sind hier eine Reihe von Wracks zu betauchen, darunter drei Schlachtschiffe und ein Minenleger dieser Flotte.

Zwei Wracks britischer Schlachtschiffe, die während der Weltkriege in Scapa Flow versenkt wurden, sind als Seegräber indes für Taucher tabu. Bei den Untergängen der «HMS Royal Oak» und der «HMS Vanguard» wurden insgesamt mehr als 1600 Soldaten getötet.

Das seien erklärte Kriegsgräber - an solche Tauchverbote müsse man sich unbedingt halten, sagt Ostheimer. Bei Wracks, zu denen getaucht werden darf, gilt zudem: «Nichts darf mitgenommen werden.»

© dpa ⁄ Tom Nebe, dpa
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