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Wehrbeauftragte beklagt: Bundeswehr fehlen Tausende Soldaten

Die Wehrbeauftragte blickt auf das letzte Jahr ihrer Amtszeit. Sie sieht drängende Probleme, deren Lösung wegen der Bedrohung durch Russland nun vorankommen müsse.
Wehrbeauftragte Eva Högl
Wehrbeauftragte Eva Högl
Wehrbeauftragte Eva Högl

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, fordert mehr Anstrengungen, um Personal für die Bundeswehr zu gewinnen. Bis zur Zielgröße von 203.000 Soldaten fehlten weiter rund 20.000 Männer und Frauen, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

 «Außerdem sind viele Dienstposten nicht besetzt», beklagte sie. Und die tatsächliche Einsatzbereitschaft liege in vielen Verbänden nur um die 50 Prozent. «Das ist deutlich zu wenig», warnte Högl angesichts der angespannten Sicherheitslage nach der Invasion Russlands in die Ukraine. Schon im Frühjahr hatte sie in ihrem Jahresbericht beklagt, dass die Truppe immer weiter altere und schrumpfe.

Die Wehrbeauftragte hilft nach Artikel 45b des Grundgesetzes dem Bundestag bei der Kontrolle der Streitkräfte. Sie gilt aber auch als Anwältin der Soldaten, die sich jederzeit an sie wenden können. Högls fünfjährige Amtszeit endet in diesem Mai.

«Die Personallage muss höchste Aufmerksamkeit bei allen politisch Verantwortlichen haben», forderte Högl. Die bisherigen Maßnahmen könnten hoffentlich helfen, das Niveau zu halten. Ausreichend sei das aber nicht.

Högl bekräftigt Ruf nach Dienstpflicht mit einem Gesellschaftsjahr

Zu einer breiter angelegten Dienstpflicht für junge Männer und auch Frauen sagte sie: «Ich favorisiere ein Jahr für die Gesellschaft und fände es gut, wenn es verpflichtend wäre. Mit einer Bandbreite von Möglichkeiten: Kultur, Umwelt, sozialer Bereich, Blaulichtorganisationen und Bundeswehr - und das für alle Geschlechter», so Högl. Das würde auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.

Ein solcher Plan würde über das Wehrdienstmodell von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hinausgehen. Pistorius beabsichtigt, wieder eine Wehrerfassung zu installieren und für junge Männer eine Auskunftspflicht über ihre Bereitschaft zum Wehrdienst einzuführen.

«Boris Pistorius wollte mehr, doch mit der bisherigen Regierungskoalition war nicht mehr möglich», so Högl mit Blick auf die Ampel-Koalition. «Sein Vorschlag wäre ein guter Start und erster Schritt gewesen. Es wäre gut, wenn der nächste Bundestag das Thema zügig diskutiert und entscheidet.» 

Bei den Zielen der Zeitenwende «noch nicht am Ziel»

Der Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 habe die Bundeswehr verändert. «Diese Zeitenwende ist auch ein Auftrag für weitere Reformen und mehr Tempo. Das betrifft Material, Personal und Infrastruktur. Und da sind wir noch nicht am Ziel», sagte Högl.

Mit Blick auf die am 23. Februar geplante Neuwahl des Bundestages forderte sie, die Angelegenheiten der Bundeswehr und der Verteidigungspolitik nicht in einer Logik von Opposition und Regierung zu diskutieren. Nötig seien große Einigkeit und breite Mehrheiten im Bundestag. Der Verteidigungsetat müsse auch wachsen, um gutes Personal in der Bundeswehr zu halten.

Bürokratie in der Truppe «wird immer schlimmer»

«Am Ende kostet die vollständige Einsatzbereitschaft unserer Bundeswehr viel Geld - und das Geld muss bereitgestellt werden. Es ist gut investiertes Geld in Frieden und Freiheit», sagte Högl. Und: «Wie es finanziert wird, entscheidet das Parlament. In diese Debatte mische ich mich nicht ein.»

Als ein ungelöstes Problem beschreibt sie den lähmenden Verwaltungsaufwand in den Streitkräften. «Die ganze Truppe klagt über Bürokratie, und es wird immer schlimmer. Dazu kommt die fehlende Digitalisierung», sagte Högl. «Es gibt immer noch keine elektronische Gesundheitsakte für unsere Soldatinnen und Soldaten und keine digitale Zeiterfassung. Dafür laufen viele Prozesse immer noch auf der Basis von Exceltabellen, die von A nach B gefaxt werden. Das ist nicht zeitgemäß und behindert die Einsatzbereitschaft.»

Kommando Spezialkräfte braucht «mehr Platz»

Högl kündigte an, dem Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr zum Abschluss ihrer Amtszeit noch mal besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Sie hat dem Verband, der vor Jahren nach rechtsextremen Vorfällen in einer schweren Krise war und ein erfolgreiches Reformprogramm absolviert hat, mehrfach besucht.

«Der Verband hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert. Ich habe das in meiner Amtszeit intensiv begleitet und freue mich über diese Veränderung - und dass das KSK den Blick nach vorne richtet und Aufgaben in der Bündnis- und Landesverteidigung übernimmt», sagte Högl.

Sie äußerte sich positiv zu Überlegungen, dem KSK zusätzlich zu der Heimatkaserne in Calw in Baden-Württemberg einen zweiten Standort zu geben, womöglich im Osten Deutschlands. Högl sagte: «Wir sollten jetzt keine Standort-Diskussion beginnen - aber dass das KSK mehr Platz braucht, ist klar. Und vielleicht wäre auch ein zweiter Standort sinnvoll für den veränderten Auftrag.»

© dpa ⁄ Carsten Hoffmann, dpa
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