Wohin für ein neues Kniegelenk oder eine große Krebsoperation? Bei der Entscheidung für ein Krankenhaus kann jetzt auch ein neuer «Bundes-Klinik-Atlas» helfen. Das staatliche Vergleichsportal ging am Freitag an den Start und soll über Leistungen und die Behandlungsqualität an knapp 1700 Klinikstandorten in ganz Deutschland informieren. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach von einem «übersichtlichen Wegweiser durch den Krankenhaus-Dschungel», der auch neue regionale Vergleiche ermöglichen soll. Von der Klinikbranche kam scharfe Kritik. Patientenvertreter begrüßten die Zielsetzung, sehen aber auch noch Lücken.
Lauterbach sagte, verständliche Informationen über gute Krankenhausversorgung seien nun für alle zugänglich und nicht mehr nur Privileg weniger Experten. Dabei sei Transparenz bei jährlich gut 16 Millionen Klinkbehandlungen und allein 500.000 neuen Krebspatienten pro Jahr dringend nötig. Denn die meisten Patienten hätten keine gute Vorstellung davon, welche Klinik für ihre Behandlung besonders geeignet ist. Und bei Behandlungen wie Darmkrebs-OPs gebe es sehr große Unterschiede.
Im Vergleich zu bestehenden Info-Portalen sei beim Bundes-Atlas vor allem die Art und Weise der Datenaufbereitung für die Patientinnen und Patienten einzigartig, machte Lauterbach deutlich. «Mit wenigen Klicks können sie Kliniken vergleichen und für die benötigte Behandlung in ihrer Nähe die beste Klinik finden.» So könne man zehn Kliniken direkt nebeneinander sehen und einschätzen, statt «von Klinik Klinik hoppen» zu müssen. In den ersten drei Stunden gab es laut Ministerium mehr als fünf Millionen Zugriffe, manche Seitenaufrufe hakten auch kurz etwas. Das Portal www.bundes-klinik-atlas.de soll schrittweise weitere Daten aufnehmen.
Ein Überblick über wichtige Funktionen:
Der Atlas: Sehen, anklicken und durchsuchen kann man eine Karte mit allen Kliniken. Aufgeführt sind die Bettenzahl und die Zahl der jährlichen Behandlungen, an der die Erfahrung deutlich wird. Angegeben werden Zertifikate für Behandlungsgebiete und wie umfassend die Versorgung für Notfälle am Standort ist. Ein ermittelter Wert zeigt die Pflegequalität an: Er ergibt sich aus der Zahl der Patienten pro Pflegekraft mit Berücksichtigung der Schwere der Fälle. Und je niedriger der Wert, desto besser.
Die Suche: Im Portal eingeben kann man zum Beispiel seinen Wohnort und eine Krankheit oder eine ganz spezielle Behandlung, um die es geht. Dabei bietet das System Suchvorschläge, wenn man den Fachbegriff nicht kennt. Man könne bei einer Mumpserkrankung auch «Ziegenpeter» eingeben, sagte Lauterbach. Hinterlegt sind laut Ministerium 28.000 Behandlungs- und 13.000 Krankheitsdefinitionen.
Die Vergleiche: Zur besseren Einordnung für die Patientinnen und Patienten gibt es eine Art Tacho-Anzeige. Dabei gilt: Je «schneller» man sozusagen fährt, also je weiter die Nadel nach rechts ausschlägt, desto besser. Vorerst sind zwei Tachos zu sehen - für die Zahl der jährlichen Fälle einer Behandlung und für die Ausstattung mit Pflegepersonal im Krankenhaus. Die Tachos haben fünf farbige Elemente, auf die die Nadel zeigen kann - etwa von «sehr wenigen» bis «sehr vielen» Fällen.
Die Erkenntnisse: Beim Vergleichen könne man sehen, dass es «riesige Unterschiede auf kleinster Fläche» gebe, sagte Lauterbach. So gebe es in Berlin und Umgebung 48 Krankenhäuser, die Darmkrebs-Operationen machten, aber nur 18 davon seien als Spezialzentren zertifiziert. Bei einer schweren Darmkrankheit bei Kindern gebe es Kliniken, die OPs mehr als 70 Mal im Jahr machten, andere aber nur vier. Dabei sei es nicht so, dass automatisch immer große Kliniken «die Gewinner» seien. Es gebe auch kleine Kliniken, die sehr spezialisiert seien.
Die nächsten Stufen: In einigen Wochen soll das Portal ein erstes Update bekommen und auch Komplikationsraten für Behandlungen angeben. Folgen sollen dann auch Zahlen zur Ausstattung mit Fachärztinnen und Fachärzten. Generell würden die Angaben regelmäßig aktualisiert, erklärte das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen, das die Umsetzung koordiniert. Dabei sind die Daten jeweils etwas «nachlaufend», aktuell stammen sie etwa bei den Fallzahlen von 2022. Sie stammen unter anderem von Kliniken und Krankenkassenabrechnungen.
Kritik von der Deutschen Krankenhausgesellschaft
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisierte das Bundesportal als «politischen Aktionismus auf Kosten des Steuerzahlers». Es bringe Patienten keinerlei zusätzliche Information und könne nicht als nützliche Ergänzung fungieren. Den Krankenhäusern bringe es noch mehr Bürokratie. Die Klinikbranche hatte kürzlich eine eigene Online-Übersicht ausgebaut. Auf dem seit 2002 bestehenden «Deutschen Krankenhaus Verzeichnis» sind nun unter anderem mehr Suchfunktionen möglich.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärte, sicherlich wollten Menschen über das Leistungsangebot und die Qualität Bescheid wissen. «Doch dem Klinik-Atlas fehlen entscheidende Angaben», sagte Vorstand Eugen Brysch. «Die Qualität der Patientensteuerung in der Klinik wird nicht erfasst.» Nach wie vor mangele es an verbindlichen Leitlinien und Bewertungsfaktoren. Der Sozialverband Deutschland begrüßte den Atlas, der sich nun aber bewähren müsse. «Es wird sich zeigen, wie groß der gebotene Mehrwert für die Patientinnen und Patienten wirklich ist.»