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Nach TV-Duell: Bei US-Demokraten geht die Angst um

Der US-Präsident sollte beim TV-Duell gegen Trump Zweifel wegen seines Alters abschütteln. Das Gegenteil passiert.
TV-Duell
Joe Biden
Donald Trump
TV-Duell
TV-Duell
Abgang

Joe Biden kämpft. Mit Wörtern, mit Zahlen, mit seiner Stimme. Der US-Präsident steht neben Donald Trump auf der Fernsehbühne in Atlanta, krächzend, versucht sich an einer Antwort zu Steuern, Staatsschulden und der Wirtschaftslage. In einem Satz verwechselt er Billionäre und Milliardäre, im nächsten Millionen und Milliarden. Zwischendurch zwinkert er nervös. Dann beginnt er einen Satz, der einfach nicht enden will.

«Wir wären in der Lage, dafür zu sorgen, dass all die Dinge, die wir tun müssen - Kinderbetreuung, Altenpflege, dafür sorgen, dass wir unser Gesundheitssystem weiter stärken», sagt der 81-Jährige, «dafür sorgen, dass wir in der Lage sind, jeder einzelnen Person...». Biden hat den Faden verloren. Er schließt die Augen und setzt wieder an. «Anspruch haben auf... für das, was ich mit dem..., dem Covid...» Wieder schließt er die Augen und räuspert sich. «Entschuldigung, ähm.» Der mächtigste Mann der Welt schaut nach unten auf sein Stehpult. «Mit dem Umgang mit... allem, was wir zu tun haben...» Der Demokrat blickt weiter auf das Pult hinab. Trump dreht sich zu ihm, mit fragendem Blick.

Die Pause, die selbst beim Zuschauen schmerzt, dauert an. Dann schaut Biden auf, schiebt etwas Unverständliches zum Gesundheitssystem nach, bevor der CNN-Moderator Jake Tapper ihn abwürgt und sagt: «Danke, Herr Präsident.» Bidens Redezeit ist abgelaufen.

Fahrig, durcheinander, überfordert

Es ist nur einer von vielen Momenten im ersten TV-Duell der beiden US-Präsidentschaftsbewerber in diesem Wahlkampf, in dem Biden fahrig daherkommt, durcheinander, seiner Aufgabe bei der Debatte schlicht nicht gewachsen. Dass neben ihm ein verurteilter Straftäter auf der Bühne steht, ein skandalumwobener Politiker, der versucht hat, den Ausgang einer demokratischen Wahl zu sabotieren und auch bei dieser Debatte schamlos Lügen verbreitet, gerät da in den Hintergrund.

Biden gibt sich zwar angriffslustig, geht seinen Kontrahenten mehrfach ungewöhnlich scharf an, verunglimpft ihn als «Verlierer», «Jammerlappen», einmal sogar als jemanden mit der «Moral eines Straßenköters». Doch kraftvoll wirkt das nicht. Mit heiserer und teilweise leiser Stimme quält er sich durch diverse Antworten, die öfter mal unzusammenhängend sind. Zwischendurch gibt es dann Momente, in denen er mit offenem Mund ins Leere blickt.

Die Reaktionen auf den Auftritt des demokratischen Spitzenmannes sind verheerend, auch und gerade in der eigenen Partei. Bidens Alter und die Debatte über seinen Zustand sind ohnehin sein größtes Problem im Wahlkampf. Bei diesem ersten Aufeinandertreffen mit Trump seit vier Jahren hätte er sich bewähren sollen, den Menschen im Land zeigen, dass er trotz seiner 81 Jahre bestens in der Lage ist, das Land zu führen und Trump zu schlagen. Doch genau das gelingt nicht.

Blanke Panik in der Partei

Selbst Bidens Vize Kamala Harris räumt nach der Debatte vor laufender Kamera ein: «Das war ein holpriger Start, das ist für jeden offensichtlich.» Selbst politische Kommentatoren, die Biden üblicherweise gewogen sind, äußern sich entsetzt über die Performance des Präsidenten, sprechen von einer Demütigung und einem Wahlkampf-Desaster. «Es wird Diskussionen darüber geben, ob er weitermachen wird», sagt etwa David Axelrod, Chefstratege von Bidens früherem Chef, Ex-Präsident Barack Obama.

Und genau diese eigentlich unvorstellbare Frage diskutieren die Demokraten nun bereits: Ob ihr Frontmann derart schwach ist, dass sie rund vier Monate vor dem Wahltag einen alternativen Kandidaten finden müssen. Die meisten äußern sich nur hinter vorgehaltener Hand. «Es ist schwer zu argumentieren, dass Biden unser Kandidat sein sollte», zitiert CNN einen namentlich nicht genannten Parteifunktionär. Andere sprechen von blanker «Panik» in der Partei. Doch aus der hinteren Reihen gibt es bereits erste öffentliche Appelle an Biden, sich zurückzuziehen, etwa von Andrew Yang, der sich 2020 selbst erfolglos als Präsidentschaftskandidat seiner Partei bewarb. «Leute, die Demokraten sollten jemand anderen nominieren - bevor es zu spät ist», schreibt Yang auf der Plattform X.

Ein Plan B der Demokraten?

Aber ginge es überhaupt, Biden noch aus dem Rennen zu nehmen? Theoretisch ja. Ende August treffen sich die Demokraten zu einem Krönungsparteitag in Chicago. Eigentlich um Biden offiziell als ihren Präsidentschaftskandidaten zu nominieren. Doch dort könnte die Partei noch kurzfristig umsatteln und einen neuen Kandidaten festlegen. Biden müsste dafür allerdings aus freien Stücken aussteigen, denn er hat formal die Vorwahlen seiner Partei gewonnen, und an deren Ergebnisse sind die Delegierten beim Parteitag vorerst gebunden. Biden könnte aber etwa gesundheitliche oder familiäre Gründe geltend machen, um sich gesichtswahrend zurückzuziehen. Ob er dazu bereit wäre, ist fraglich.

Und das noch größere Problem: Einen echten Plan B hat die Partei nicht. Sie hat es versäumt, einen Nachfolger aufzubauen. Das muss sich allen voran auch Biden zum Vorwurf machen lassen. Der siebenfache Großvater behauptet von sich, er sei die am besten qualifizierte Person für den Job, und nur er könne Trump schlagen. Dies wirkt nun fast vermessen.

Die natürliche Nachfolge wäre Harris gewesen. Doch sie blieb in ihrem Vizepräsidentenamt bislang blass, ist kaum sichtbar und hat selbst mit miesen Beliebtheitswerten zu kämpfen. Da sie als erste Frau und erste Schwarze auf das Amt aufgerückt ist, wäre es aber schwierig gewesen, an ihr vorbei einen Ersatzkandidaten zu etablieren. Und nun ist es zu spät.

Auch wenn die Option des Biden-Exits theoretisch denkbar wäre, so wäre es politisch wohl eher aussichtslos. Einen anderen Demokraten innerhalb von vier Monaten auf nationaler Bühne als Alternative für das Präsidentenamt zu etablieren, der ähnlich bekannt ist wie Trump, scheint kaum möglich. Trumps Chancen, wieder ins Weiße Haus einzuziehen, waren nie größer.

© dpa ⁄ Christiane Jacke, Julia Naue und Christian Fahrenbach, dpa
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