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Nach TV-Debakel: Druck auf Biden in eigener Partei wächst

Ein demokratischer Kongressabgeordneter aus Texas prescht voran und ruft Joe Biden im Wahlkampf zum Rückzug auf. Bröckelt die Unterstützung für den US-Präsidenten auch in den eigenen Reihen?
US-Präsident Joe Biden
Kann US-Präsident Joe BIden seine Partei davon überzeugen, dass er weiterhin der richtige Kandidat ist? © Jacquelyn Martin/AP

Nach Joe Bidens desaströsem Auftritt beim Fernsehduell gegen seinen Konkurrenten Donald Trump wächst der Druck auf den US-Präsidenten auch in den eigenen Reihen. Ein erster demokratischer Abgeordneter aus dem US-Repräsentantenhaus forderte Biden öffentlich auf, aus dem Rennen um die Präsidentschaft auszusteigen und Platz für einen anderen Kandidaten zu machen. Weitere Kritiker könnten folgen. Auch die demokratische Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi meldete sich zu Wort. 

Biden selbst will den Grund für seinen verpatzten Auftritt im TV-Duell gegen Herausforderer Donald Trump ausgemacht haben: Müdigkeit. Der 81-Jährige begründete seinen schwachen Auftritt mit Erschöpfung nach einer Reihe anstrengender Auslandsreisen. Bei einem Wahlkampfauftritt im US-Bundesstaat Virginia sagte er laut mitreisenden Journalisten, er sei kurz vor der TV-Debatte faktisch mehrmals um die Welt gereist, was «nicht sehr klug» gewesen sei. Er habe nicht auf seine Mitarbeiter gehört - «und dann bin ich auf der Bühne fast eingeschlafen». Das sei zwar keine Entschuldigung, aber eine Erklärung.

In Bidens Terminkalender standen im vergangenen Monat tatsächlich zwei große Auslandsreisen. Zuerst war er Anfang Juni bei einer Gedenkveranstaltung zur Landung der Alliierten in der Normandie in Frankreich. Direkt im Anschluss absolvierte Biden einen Staatsbesuch in Paris, bei dem ihn Frankreichs Präsident mit großem Programm empfing. Dann flog er zurück in die USA - um nur wenige Tage später, Mitte Juni, wieder nach Italien zum G7-Gipfel zu reisen. Von dort aus ging es wiederum über neun Zeitzonen zurück an die US-Westküste, wo er in Los Angeles an einer exklusiven Spendengala für seinen Wahlkampf teilnahm.

Am 17. Juni empfing Biden in Washington Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Ab dem 20. Juni weilte er schließlich in Camp David - dem Landsitz des US-Präsidenten nahe der Hauptstadt. Dort bereitete sich Biden mit seinem Team auf die Debatte vor und absolvierte rund eine Woche lang keine öffentlichen Termine.

Weißes Haus geht die Offensive

Auch das Weiße Haus bemühte sich, Zweifel an Bidens Eignung für das Amt zu zerstreuen und seinen verpatzten Auftritt im Fernsehen so gut es geht vergessen zu machen. Der Präsident habe eben einen schlechten Abend gehabt, betonte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, bei einer Pressekonferenz. «Wir werden ein neues Kapitel aufschlagen», sagte sie. Biden werde die Menschen in den USA bei Ortsterminen selbst von seinen Qualitäten überzeugen. 

In den kommenden Tagen wolle sich Biden zudem mit demokratischen Kongressmitgliedern und Gouverneuren treffen, kündigte Jean-Pierre an. Geplant seien auch ein Fernsehinterview, Wahlkampfauftritte und in der kommenden Woche eine Pressekonferenz beim Nato-Gipfel in Washington. Biden selbst gab sich bei einem Termin in Washington bestens gelaunt und selbstbewusst. Seine Ansprache las er wie üblich von einem Teleprompter ab. 

Abgeordneter fordert Biden «respektvoll» zum Rückzug auf

In den vergangenen Tagen hatten sich die bekanntesten Gesichter der Partei mit harscher öffentlicher Kritik zurückgehalten. Lloyd Doggett, demokratischer Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses aus Texas, meldete sich nun als erster Parlamentarier aus Bidens Partei mit einer Rückzugsforderung öffentlich zu Wort. 

Es falle ihm nicht leicht, seine Vorbehalte öffentlich zu machen, schrieb Doggett in einer Stellungnahme, aus der US-Medien zitierten. Anders als Trump habe Biden immer den Interessen des Landes gedient und nicht seinen eigenen. Er hoffe, der Präsident werde die schwierige und schmerzhafte Entscheidung treffen, seinen Rückzug anzutreten, so Doggett. «Ich fordere ihn respektvoll auf, dies zu tun.»

Dem Portal «Axios» zufolge wollen Großspender der Demokraten angesichts schwindender Hoffnungen auf einen Wahlsieg Bidens ihre Strategie vor der Abstimmung im November ändern, bei der auch über die Neuverteilung vieler Sitze im Repräsentantenhaus und Senat entschieden wird. Demnach wollen sie ihre Unterstützung nun eher auf demokratische Kandidatinnen und Kandidaten für den Kongress konzentrieren, um dort Mehrheiten zu sichern, damit Trump im Falle eines Wahlsiegs nicht ungehindert durchregieren kann. 

Pelosi: Frage nach Patzer «berechtigt»

Die ehemalige Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verteidigte Biden und attestierte ihm in einem Interview mit dem US-Sender MSNBC «Urteilsvermögen und strategisches Denken».

Auf Nachfrage sagte die Demokratin auch, dass es eine «berechtigte Frage» sei, ob es sich bei Bidens Patzer im TV-Duell «nur um eine Episode oder einen Zustand» gehandelt habe. Allerdings müssten beide Kandidaten in der Frage nach ihrer Eignung für das Präsidentenamt einer gleichermaßen kritischen Betrachtung unterzogen werden. Pelosi betonte, es sei schwer, mit Trump zu debattieren, da der republikanische Ex-Präsident andauernd lüge. 

Quertreiber Manchin drohte wohl mit öffentlichem Bruch 

Einem Bericht der «Washington Post» zufolge hatte der Senator Joe Manchin unmittelbar nach dem TV-Duell angedroht, öffentlich mit Biden zu brechen. Manchin, der als Quertreiber bekannt ist, hat den Demokraten zwar kürzlich den Rücken gekehrt, stimmt als unabhängiger Senator aber weiterhin in vielen Fragen mit seiner ehemaligen Partei ab. 

Dem Bericht zufolge änderte Manchin seinen Konfrontationskurs unter anderem auf Drängen des demokratischen Minderheitsführers im Senat, Chuck Schumer. Die Zeitung zitierte einen nicht namentlich genannten Vertreter der demokratischen Partei mit den Worten: «Niemand will der Erste sein, der Julius Cäsar ersticht.»

Treffen mit Gouverneuren auf der Agenda

Der US-Sender CBS berichtete, Biden werde sich bereits am heutigen Mittwoch mit demokratischen Gouverneuren verschiedener Bundesstaaten treffen, um sich deren Unterstützung zu sichern. Zuvor hatte der Sender CNN unter Berufung auf mit der Situation vertraute Personen berichtet, mehrere Gouverneure hätten zu Wochenbeginn miteinander telefoniert, um ein solches Treffen zu vereinbaren.

Nach einem Bericht der «Washington Post» soll es heute noch eine weitere Krisenbesprechung geben: Der Stabschef des Weißen Hauses, Jeff Zients, wolle mit allen Mitarbeitern des Präsidenten eine Telefonkonferenz abhalten, hieß es. Darin solle betont werden, wie wichtig es sei, die Arbeit trotz des Gegenwinds fortzusetzen. Auch an Bidens Team in der Regierungszentrale, das sich normalerweise nicht in Wahlkampfangelegenheiten einmischt, dürften die vergangenen Tage nicht spurlos vorbeigegangen sein. 

© dpa
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