Musikfestivals - da denkt man vor allem an junge Leute, die über Tage vor den Bühnen feiern und danach kurze, unbequeme Nächte auf Luftmatratzen in Iglu-Zelten verbringen. Doch auf vielen größeren Open-Air-Events sieht man seit einiger Zeit zwischen dem Party-Publikum auch viele Musikfans fortgeschrittenen Alters. «Senioren im Park» werden diese manchmal scherzhaft von Jüngeren bei Rock im Park in Nürnberg genannt.
Mit Rock im Park und seinem legendären Schwesterfestival Rock am Ring in der Eifel gehen an diesem Wochenende die ersten großen Open Airs in Deutschland über die Bühne. Der Altersdurchschnitt liegt laut dem Veranstalter bei beiden Festivals bei Ende 20. «Unsere Fans werden mit uns älter, gleichzeitig kommen viele jüngere Gäste hinzu», heißt es von den Festivals.
«Ein Großteil unseres Publikums ist mit Rock am Ring und Rock im Park erwachsen geworden. Mittlerweile kommen sogar Eltern mit ihren Kindern zu den Festivals.» Mit Bands wie Die Ärzte, Green Day, Donots, H-Blockx und Guano Apes werden auf den drei Bühnen bei der diesjährigen Ausgabe vom 7. bis 9. Juni wieder viele Idole auftreten, die diese wohl noch aus ihrer Jugend kennen.
Nicht mehr das Alter für drei Nächte im Iglu-Zelt
Auch der Veranstalter FKP Scorpio, der unter anderem die Schwesterfestivals Hurricane und Southside oder das Gothic-Festival M’era Luna organisiert, bestätigt, dass das Publikum heterogener wird. Ein Grund dafür: «Auf unseren Festivals haben wir in den vergangenen Jahren Angebote gestärkt, die über das klassische Camping hinausgehen», sagt Sprecher Jonas Rohde. «Diese werden vor allem von Menschen genutzt, die unsere Festivals schon lange kennen, aber deren Rücken drei Nächte im Iglu-Zelt vielleicht nicht mehr unbeschadet übersteht.»
Etwa 2200 Festivals gibt es nach Angaben der Bundesstiftung Livekultur in Deutschland. Diese arbeitet gerade an einer Studie zur Festivallandschaft hierzulande, die Ergebnisse sollen im Mai 2025 vorliegen. In Europa habe Deutschland die meisten Festivals pro Einwohner, sagt Axel Ballreich, Vorstand des Verbands der Musikspielstätten Livekomm. Diese reichten von ganz klein bis ganz groß und richteten sich an unterschiedliche Zielgruppen. Eine generelle Aussage für alle Musikfestivals ist deshalb nicht möglich. Aber: Das Alter bei den großen Festivals gehe eher nach oben, bestätigt Ballreich.
Neue Generation sucht neue Festival-Formen
Dafür verantwortlich sind aus Sicht des Branchenkenners Robert Stolt auch die gestiegenen Ticketpreise. Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre seien viele Musikfestivals in Deutschland entstanden, sagt Stolt, der das Branchentreffen «Future of Festivals» leitet und selbst ein Festival auf der Insel Rügen veranstaltet. «Damals konnte man es sich leisten, zu zwei bis drei Festivals im Sommer zu fahren.» Bei Ticketpreisen von 200 bis 300 Euro sei das aber nicht mehr möglich - vor allem nicht für jüngere Leute. Diese gingen deshalb eher zu kleineren oder nichtkommerziellen Veranstaltungen. «Die neue Generation sucht sich neue Formen von Festivals.»
Auf den großen Festivals kommt mit den mehreren Zehntausend Besucherinnen und Besucher quasi eine Kleinstadt zusammen - somit bekommen diese auch die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen zu spüren. Ende 20, Anfang 30 - wenn die sogenannte Rushhour des Lebens beginnt, die Menschen also mit Karriere und Familiengründung beschäftigt sind - fehle den Leuten oft die Zeit und das Geld für mehrtägige Festivals, erläutert der Experte Ballreich. Deshalb gehe der Trend zu eintägigen Festivals und Tagestickets für mehrtägige Veranstaltungen.
Cocktails, vegane Burger und «Glamping»
Mit 40, 50 Jahren seien die Kinder älter und die Leute hätten wieder Lust auszugehen, sagt Ballreich. «Das war früher noch anders.» Damals hätten sich die Menschen in dem Alter auf Kegelbahnen und Vereinsfesten getroffen, heute gingen diese weiterhin auf Konzerte und in Clubs. Für die Festivals bedeute das, dass sich diese etwas einfallen lassen müssten, sagt Ballreich. «Die Leute sind anspruchsvoller geworden. Sie wollen auch ein schönes Ambiente.» Sprich Cocktails statt nur Dosenbier, vegane Burger neben den klassischen Pommes und komfortable Übernachtungsmöglichkeiten.
«Glamping» - eine Wortschöpfung aus glamourös und Camping - heißt der Trend, der sich seit einiger Zeit auf vielen Festivals durchsetzt. Neben den klassischen Zeltplätzen gibt es Areale, wo es sauberer und ruhiger zugeht. Man kann sich dort bereits aufgebaute Zelte oder kleine Wohncontainer mieten - Ausstattung, separate Sanitäranlagen und VIP-Eingang zu den Bühnen inklusive.
Oder gleich ins Hotel
Andere wiederum gehen gleich ins Hotel. Bei Rock im Park, das mitten in Nürnberg liegt, bietet sich das besonders an. «Konnte es früher nicht nah genug an der Bühne und eng genug im Zelt sein, haben mittlerweile viele die Vorzüge eines eigenen Hotelzimmers für sich entdeckt», hat Thomas Geppert vom bayerischen Hotel- und Gaststättenverband festgestellt. Vor allem bei schlechten Wetteraussichten gingen die Reservierungen nach oben. Insgesamt halte sich die Nachfrage aber noch in Grenzen.
Im kommenden Jahr werden Rock am Ring und Rock im Park ihr 40-jähriges und 30-jähriges Bestehen feiern. Im Publikum werden dann möglicherweise die eine oder der andere dabei sein, die schon die erste Ausgabe miterlebt haben.