Nuri Sahin stahl selbst den namhaften Neuzugängen die Show. Der eindringliche Appell des neuen Dortmunder Trainers an zehntausende Fans sorgte bei der Saisoneröffnung der Borussia für den meisten Gesprächsstoff. Gleich bei seinem ersten großen öffentlichen Auftritt in neuer Funktion warb der Nachfolger des beim BVB noch immer geschätzten Edin Terzic um Nachsicht: «Ich möchte Euch um einige Sachen bitten, die es im Fußball eigentlich nicht gibt. Zeit und Geduld.»
Als einstiger Profi in Dortmund, Madrid, Liverpool und Bremen war Sahin lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass er bei schlechten Ergebnissen nur mit wenig Geduld der Anhänger rechnen kann. Doch mit diesem eindringlichen Appell wollte er alle Beteiligten auf eine extrem fordernde Saison einstimmen.
Sportchef Ricken: «Extrem zufrieden»
Schon vor dem ersten Pflichtspiel am Samstag (18.00 Uhr/Sky) gegen den Regionalligisten Phönix Lübeck im Hamburger Volkspark-Stadion verspürt der Coach Fortschritte: «Wir sind noch in den Flitterwochen. Aber ich habe in jeder Trainingseinheit das Gefühl, dass jeder weiß, worum es geht. Man kann erkennen, wohin wir wollen. Die Richtung stimmt.»
Ähnlich wie schon bei Terzic setzt der BVB auch bei Sahin mehr auf Stallgeruch als auf Trainererfahrung. Als Taktgeber der Meistermannschaft von 2011 genießt er bei den Fans noch immer einen guten Ruf. Lars Ricken ist zuversichtlich, dass sich Sahin ein ähnlich positives Standing auch als Trainer erarbeitet. «Er ist kein normaler 35-Jähriger. Aufgrund seiner ganzen Vita. Man merkt einfach: Auf unserem Trainingsplatz steht eine absolute Persönlichkeit, die wirklich vorlebt, was notwendig ist, um erfolgreich zu sein», schwärmte der neue Sportchef, «ich bin extrem zufrieden.»
Positive Signale aus der Mannschaft
Ähnlich positive Signale gibt es aus der Mannschaft, bei der Sahin bereits in der vergangenen Rückrunde als Co-Trainer von Terzic Pluspunkte sammelte. «Das, was ihn am meisten auszeichnet, ist, dass er dir seine Erwartungshaltung direkt ins Gesicht sagt. Du weißt zu jeder Zeit genau, woran du bist», kommentierte Niklas Süle.
So trug Sahin mit großem Einfühlungsvermögen dazu bei, dass der von Bundestrainer Julian Nagelsmann vor der EM ausgemusterte Innenverteidiger seine Ernährung umstellte, die Hilfe eines Mentaltrainers in Anspruch nahm und deutlich schlanker aus der Sommerpause zurückkehrte. «Ich freue mich extrem, dass er Trainer ist. Deshalb will ich ihm auch dieses Jahr den bestmöglichen Niklas Süle zeigen», versprach der Abwehrspieler.
Erste unliebsame Schlagzeilen
Die wirklich großen Herausforderungen stehen Sahin jedoch noch bevor - nicht nur bei den Auftritten seines Teams, das mit den insgesamt 80 Millionen Euro teuren Neuzugängen Waldemar Anton, Serhou Guirassy (beide VfB Stuttgart), Pascal Groß (Brighton & Hove Albion), Yan Couto (Manchester City) und Maximilian Beier (TSG 1899 Hoffenheim) verstärkt wurde. Welche Dynamik sich bei einem großen Verein wie dem BVB auch jenseits des Rasens entwickeln kann, bekam er bereits in der bisher kurzen Zeit als neuer Chefcoach zu spüren.
Medienberichte über einen Zwist zwischen Sportdirektor Sebastian Kehl und Kaderplaner Sven Mislintat, der in Eigenregie Gespräche mit vermeintlichen Neuzugängen geführt und damit seine Kompetenzen überschritten haben soll, sorgten für erste Störgeräusche. Zudem gibt es bereits Schlagzeilen über unzufriedene Reservisten wie Youssoufa Moukoko, der nach einem neuen Verein sucht. Noch reagiert Sahin mit erstaunlicher Souveränität. Gute Ergebnisse zum Saisonstart könnten helfen, dass er vorerst so gelassen bleibt.