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BGH: Werbung muss erklären, was «klimaneutral» bedeutet

Das Wort «klimaneutral» ist für viele Menschen ein Verkaufsargument. Aber ist damit eine Verringerung oder ein finanzieller Ausgleich von Emissionen gemeint? Das muss künftig in der Werbung klar werden.
Katjes
Tüten mit Fruchtgummis der Marke Katjes. © Sebastian Kahnert/dpa

Mit steigendem Umweltbewusstsein ihrer Kundinnen und Kunden setzen einige Unternehmen in der Werbung auf die vermeintliche Klimaneutralität ihrer Produkte. Dabei bleibt aber oft unklar, wie genau diese Klimaneutralität tatsächlich erreicht wird. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat nun strenge Anforderungen an umweltbezogene Werbung festgelegt. Wer mit mehrdeutigen Begriffen wie «klimaneutral» werben will, muss demnach künftig schon in der Werbung selbst erklären, was genau dahintersteckt.

Im konkreten Fall hatte die Frankfurter Wettbewerbszentrale gegen den Lakritz- und Fruchtgummihersteller Katjes geklagt, weil das Unternehmen in einem Lebensmittel-Fachblatt damit geworben hatte, alle seine Produkte würden klimaneutral produziert. Der Herstellungsprozess selbst ist nicht emissionsfrei, das Unternehmen unterstützt zum Ausgleich aber über einen Umweltberater Klimaschutzprojekte. Nach Ansicht der Kläger war die Werbung irreführend. Dem Verbraucher seien wichtige Informationen - etwa über die Art und Weise, wie die Klimaneutralität hergestellt wird - vorenthalten worden.

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Was heißt «klimaneutral»?

Zuvor hatte die Wettbewerbszentrale mit ihrer Klage keinen Erfolg gehabt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf argumentierte, Verbraucher verstünden den Begriff «klimaneutral» im Sinne einer ausgeglichenen CO₂-Bilanz. Sie wüssten, dass diese auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Entscheidend war, dass die Leser aus Sicht des Oberlandesgerichts online ausreichend darüber informiert wurden, wie die Klimaneutralität der Produkte erreicht werde. Über einen QR-Code in der Anzeige konnten sie auf der Webseite des Umweltberaters an mehr Informationen gelangen.

Der Wettbewerbszentrale reichte das nicht aus. Angaben darüber, wie die Klimaneutralität zustande kommt, hätten schon in der Werbung selbst auftauchen müssen, forderte etwa Geschäftsführer Reiner Münker - am besten aufgeteilt danach, was das Unternehmen selbst an Emissionen einspart und was kompensiert wird. Es müsse unterschieden werden können zwischen Unternehmen, die mit hohen Investitionen und technischen Weiterentwicklungen eine tatsächliche Reduzierung ihrer Emissionen erreichen, und solchen, die im eigenen Betrieb nichts ändern, aber Geld an Klimaprojekte zahlen.

Das höchste deutsche Zivilgericht gab den Klägern am Donnerstag recht und verurteilte Katjes unter anderem zur Unterlassung der Werbung. Die Leser der Fachzeitschrift hätten - nicht anders als Verbraucher - den Begriff «klimaneutral» sowohl als Reduktion als auch als Kompensation der Emissionen verstehen können. Die Werbung sei daher irreführend.

Bedeutung für den Wettbewerb

Das Oberlandesgericht habe in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass die Irreführungsgefahr bei umweltbezogener Werbung besonders groß ist, so der Karlsruher Senat. In diesem Bereich gebe es - wie auch bei gesundheitsbezogener Werbung - ein höheres Aufklärungsbedürfnis der Verbraucher. Erklärende Informationen außerhalb der Werbung, wie etwa auf der Internetseite des Unternehmens, reichen demnach nicht aus.

Eine Erklärung des Begriffs «klimaneutral» war nach Ansicht der Richterinnen und Richter vor allem deswegen notwendig, weil die Reduktion von CO2-Emissionen und die Kompensation dieser Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung der Klimaneutralität seien. Für den Klimaschutz sei die Reduktion gegenüber der Kompensation vorrangig. Die Irreführung sei dabei auch wettbewerblich relevant, weil die vermeintliche Klimaneutralität für Kaufentscheidungen von Verbrauchern von erheblicher Bedeutung sei. 

«Unternehmen, die massiv investieren in die Umstellung der gesamten Logistik oder Produktion, der Energiebeschaffung, et cetera, die haben massive Investitionen und die fühlen sich natürlich im Wettbewerb benachteiligt, wenn jemand mit einem schillernden Begriff das Gleiche verspricht, obwohl er das nicht macht», erklärte Münker nach dem Urteil. «Deswegen war das für uns von Anfang an immer ein Wettbewerbsthema.»

Strengere Auflagen für grüne Werbung

Katjes hatte sich bereits vor dem Urteil auf strengere Vorschriften eingestellt. Der Süßwarenhersteller habe in der Vergangenheit den Begriff «klimaneutral» verwendet, weil man bestrebt sei, den Anteil der Emissionen bei der Produktion selbst zu reduzieren, aber auch weil das Unternehmen erhebliche Ausgleichszahlungen im siebenstelligen Bereich leiste, sagte Katjes-Sprecher Pascal Bua auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur noch vor der Verkündung. Nach damaliger Rechtsauffassung sei das erlaubt gewesen. «Mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könnte sich die Rechtslage jedoch ändern, worauf wir uns entsprechend einstellen müssen.»

Strengere Auflagen für grüne Werbeversprechen sind auch auf EU-Ebene in Arbeit. So einigten sich die Umweltministerinnen und -minister der EU-Staaten vergangene Woche etwa auf Regeln für freiwillige Aussagen von Unternehmen hinsichtlich der Umwelt- oder Klimafreundlichkeit von Produkten. Demnach sollen Unternehmen zur Untermauerung ihrer Angaben und Kennzeichnungen klare Kriterien und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse verwenden. Es soll zudem klar erkennbar sein, worauf sich Umweltaussagen beziehen - etwa auf die Haltbarkeit oder Recyclingfähigkeit. Die Staaten müssen nun mit dem Europaparlament einen Kompromiss aushandeln. 

Die Verbraucherorganisation Foodwatch begrüßte die Entscheidung des BGH, forderte aber auch von der Politik klarere Regeln für Klimawerbung. «Die EU darf in ihren Verhandlungen keine Schlupflöcher für die Unternehmen zulassen», sagte ein Sprecher. «Slogans wie klimaneutral oder klimapositiv gehören verboten, wenn sie auf Kompensationsprojekten beruhen. Der Nachweis der Emissionsreduktion muss unabhängig und nach einheitlichen Standards erfolgen.»

© dpa ⁄ Jacqueline Melcher, dpa
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