Die Luft flimmert vor Hitze, während sich die Flammen durch das trockene Gras fressen. Der Himmel über den endlosen Weiten des Pantanal, dem größten tropischen Feuchtgebiet der Welt, ist von dichten Rauchwolken verhüllt. «Ich denke an die vielen Tiere, die darunter leiden, an die Kinder im Dorf, für die der Rauch besonders schädlich ist», erzählt Laércio Fernandes während einer kurzen Verschnaufpause. Das Gesicht des indigenen Feuerwehrmanns ist von Ruß gezeichnet, seine Augen gerötet. «Wir müssen unsere Umwelt verteidigen, wer soll es sonst machen?», sagt er.
Fernandes ist einer von vielen Einsatzkräften, die aus den umliegenden Dörfern des indigenen Territoriums Kadiwéu im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul gegen die Flammen kämpfen. Mit 538.000 Hektar ist es das größte indigene Gebiet im Pantanal. Eine Fläche mehr als doppelt so groß wie das Saarland. Auf knapp 63 Prozent davon hat es dieses Jahr bereits gebrannt, wie aus Daten der Bundesuniversität Rio de Janeiro hervorgeht.
Einer von zwei Stützpunkten der Feuerwehr innerhalb dieses Territoriums ist in Tomazia. Das Dorf mit rund 350 Einwohnern befindet sich etwa zwei Autostunden von der nächstgrößeren Stadt Bonito entfernt. Doch anders als die für ihre kristallklaren und intensiv blauen Gewässer bekannte Stadt erscheint Tomazia wie durch einen Sepia-Filter betrachtet.
Der Geruch von Asche liegt in der Luft. Die Schule musste deswegen schon öfter abgebrochen werden, erzählt die im Dorf lebende Lehrerin Rosangela. Wann sie zuletzt die Sonne in ihrer vollen Pracht sah, wisse sie nicht. Denn eingehüllt in dichte Rauchschwaden wirkt diese nur noch wie ein blasser, rötlicher Kreis.
Von hier aus werden die Einsätze der 85 größtenteils indigenen Feuerwehrkräfte koordiniert. In mehreren Einheiten sind sie für das gesamte Territorium zuständig. Die anhaltenden Brände setzen nicht nur riesige Mengen an Kohlenstoff frei, sondern bedrohen auch zunehmend die Lebensräume dieser indigenen Gemeinschaften.
Fernandes nimmt noch einmal einen Schluck Wasser, bevor er mit seinem Gebläse wieder der Linie folgt, die das Feuer in dem verdorrten Gebiet hinterlässt. Kollegen mit Löschrucksäcken und weiterer Ausrüstung folgen ihm. Vögel und andere Tiere sind in dem Einsatzgebiet nicht zu sehen. Kürzlich wurden zwei verkohlte Landschildkröten entdeckt.
Drohnen unterstützen indigene Feuerwehrkräfte
Knapp 24 Stunden ist eine Einheit im Einsatz, bevor sie vom Helikopter abgeholt und zurück ins Dorf gebracht wird. Bei ihrem Kampf gegen die Flammen erhalten sie neuerdings Unterstützung - von einer Drohne. Mit ihrer Hilfe lassen sich Feuerausbrüche erkennen und löschen, bevor sich diese weiter ausbreiten. Sie dienen letztlich auch der Sicherheit der Einsatzkräfte.
«Das Pantanal kann sehr undurchlässig sein, umgefallene Bäume können Wege sperren. Mithilfe der Drohne sehen sie nicht nur, wohin sich das Feuer ausbreitet, sondern auch, wie sie dorthin gelangen», erklärt Heideger Nascimento von der Nichtregierungsorganisation Environmental Justice Foundation (EJF). Er bildet die Einsatzkräfte seit September in einer theoretischen und praktischen Schulung für den Umgang mit der Drohne aus.
Neben den Feuerwehrleuten in Kadiwéu stattet EJF auch weitere Feuerwehren in einem anderen indigenen Gebiet mit den Flugobjekten aus. Ziel sei, auch anderen indigenen Gemeinschaften im Pantanal Schulungen und Ausrüstungen zu ermöglichen.
Pantanal von Waldbränden am schlimmsten betroffen
Das Pantanal zählt zu den artenreichsten Gebieten des Planeten und ist Heimat seltener Arten. Dort leben etwa Jaguare, Tapire oder Hyazinth-Aras. Das Feuchtgebiet, das sich von Brasilien auch in die Nachbarländer Bolivien und Paraguay erstreckt, besteht aus einem verzweigten System von Flüssen und Seen und ist ein einzigartiges Natur- und Touristenparadies.
Dieses Jahr erlebt die Region eine besonders heftige Waldbrandsaison. Allein im September brachen nach Angaben des brasilianischen Weltrauminstituts Inpe etwa 2.700 Feuer aus, im Vorjahresmonat waren es 373. Die Zahl der von Januar bis Ende September registrierten Brände war um 1.427 Prozent höher als im gleichen Zeitraum 2023. Zum Vergleich: Im Amazonas stieg die Zahl im selben Zeitraum um 80 Prozent, im Cerrado - den Feuchtsavannen im Südosten Brasiliens - um 86 Prozent. Das Pantanal ist damit das Biom, das anteilig den mit Abstand größten Anstieg an Waldbränden zu verzeichnen hat.
Größtenteils sind die Brände laut Brasiliens Umweltministerin Marina Silva auf menschliches Handeln zurückzuführen. Wirtschaftlich wird in dem Gebiet vor allem Rinderhaltung betrieben. Die Farmer brennen traditionell Waldgebiete ab, um neue Weideflächen zu schaffen. Geraten diese Feuer außer Kontrolle, können riesige Flächenbrände entstehen. Verschärft wird die Lage in diesem Jahr zudem von einer schweren Dürre. Sie steht Experten zufolge in Zusammenhang mit dem Wetterphänomen El Niño und dem Klimawandel.
Brandherde in ganz Südamerika
Aber nicht nur im Pantanal, sondern in ganz Südamerika gibt es Brandherde. Im brasilianischen Amazonasgebiet toben die schwersten Brände seit knapp 20 Jahren. Rauchschwaden breiten sich dabei über den gesamten Kontinent aus. Die Millionenmetropole São Paulo hatte deswegen kürzlich die schlechteste Luftqualität weltweit. Auch in anderen Ländern wie Bolivien, Ecuador, Peru oder Argentinien brennen die Wälder. Boliviens Regierung erklärte den nationalen Katastrophenzustand, um weitere finanzielle Mittel zur Bekämpfung der Brände bereitzustellen. Ecuadors Präsident Daniel Noboa brach seinen Besuch bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York wegen der Feuer ab.
In die Stadt am Big Apple kamen vor wenigen Tagen auch indigene Vertreter von Völkern mehrerer Länder Südamerikas zusammen. Sie hatten auf die verheerenden Waldbrände und die zunehmende Zerstörung ihrer Lebensräume aufmerksam gemacht. Urvölker spielen im Kampf gegen die Erderwärmung eine Schlüsselrolle. Indigene gelten auch aufgrund ihrer Lebensweise als «Hüter des Waldes». Die Welt müsse jetzt handeln, forderte Raoni Metuktire, Kayapó-Häuptling und Vertreter der Anliegen indigener Völker am Amazonas. «Nicht nur um unseretwillen, sondern für die Zukunft des gesamten Planeten.»