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Trainersuche und Führungsprobleme: BVB als Scheinriese?

Borussia Dortmund steckt in der größten Krise seit dem Ende der Ära von Jürgen Klopp 2015. Ein neuer Trainer allein dürfte kaum reichen, um den BVB wieder auf Kurs zu bringen. Probleme gibt es viele.
Lars Ricken
Situation bei Borussia Dortmund
Borussia Dortmund - Bayer Leverkusen
Sven Mislintat
Borussia Dortmund nach der Trennung  von Trainer Sahin

Mit einem Trainerwechsel scheint es bei Borussia Dortmund nicht getan zu sein. Der auf Tabellenplatz zehn abgerutschte BVB wirkt nicht erst seit der Trennung von Club-Idol Nuri Sahin als Trainer nur noch wie ein Scheinriese der Fußball-Bundesliga. Offenbar unvorbereitet auf die nicht mehr zu verhindernde Sahin-Beurlaubung befinden sich die vielen Bosse derzeit in internen und bestenfalls auch externen Gesprächen über einen geeigneten Nachfolger.

Am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen Werder Bremen sitzt erst einmal der eigentliche U19-Coach Mike Tullberg auf der Bank. Das bringt etwas Zeit. Zeit, die der BVB eigentlich nicht hat - zumal bereits am kommenden Mittwoch in der Champions League das Endspiel um das direkte Weiterkommen gegen Schachtar Donezk ansteht.

In der Liga muss angesichts von sieben Punkten Rückstand auf das Minimalziel Platz vier dringend der Turnaround her. «Wir müssen eine sehr gute Rückrunde spielen, um unsere Ziele eventuell noch zu erreichen. Da ist ein Sieg gegen Bremen Pflicht», sagte Sport-Geschäftsführer Lars Ricken. 

Ricken gesteht Niederlage für BVB-Bosse ein

Der 48-Jährige war 2024 überraschend zum Sportchef befördert und Sportdirektor Sebastian Kehl vorgezogen worden. In seinem neuen Bereich hat Ricken zuvor keine Erfahrungen sammeln können. Nun aber muss er in der größten BVB-Krise seit dem Ende der Ära von Jürgen Klopp vor knapp zehn Jahren schnell Profil zeigen. «Das ist natürlich eine Niederlage für uns alle, die weh tut», sagte Ricken nach der Trennung von seinem früheren Mitspieler Sahin.

Denn das Bild, das die BVB-Führung derzeit abgibt, sorgt für Beunruhigung bei Fans und Umfeld. Der langjährige Boss Hans-Joachim Watzke hat sich bereits merklich zurückgenommen und scheidet planmäßig im Herbst als Chef der Geschäftsführung aus. Mit seinen letzten Personalentscheidungen im vergangenen Jahr verblüffte der 65-Jährige. Neben der Entscheidung pro Ricken und gegen Kehl holte er etwa den streitbaren Sven Mislintat als Kaderplaner zurück - ein weiterer Gegenspieler Kehls.

Während Sahin in den vergangenen Wochen der auf Kante genähte und unausgewogen erscheinende Kader immer mehr um die Ohren flog, mehrten sich die Berichte über die Dissonanzen zwischen Kehl und Mislintat.

BVB-Kader als Dauerbaustelle

Dass die Unstimmigkeiten zwischen beiden wichtige Personalentscheidungen behinderten, ist nicht bestätigt. Auffällig ist trotzdem, dass zehn Tage vor dem Ende der Transferfrist noch kein einziger dringend benötigter Neuzugang verpflichtet wurde. Und das, obwohl in Donyell Malen (Aston Villa) nun ein weiterer Spieler im Kader fehlt. «Ich habe zu allen Personen ein vertrauensvolles Verhältnis. Wir setzen uns natürlich damit auseinander, das ist klar», sagte Ricken zu den offensichtlichen Spannungen hinter den Kulissen. 

Trotz der mannigfachen Kritik am Kader, der von der «Bild» schon als «seelenlose Absturz-Mannschaft» bezeichnet wird, wurde der Vertrag mit Kehl nach zähen Verhandlungen noch einmal verlängert. Ein Fehler?

Einer der letzten Sätze von Sahin als BVB-Trainer lassen jedenfalls tief blicken: «Es geht darum, dass dieser Verein zur Ruhe findet, dass der Verein wieder erfolgreich wird und dass wir keine Nebenkriegsschauplätze haben.»

Davon scheint es derzeit zu viel zu geben. Auch die Doppelfunktion von Matthias Sammer als BVB-Berater und Experte bei Amazon Prime sorgt immer wieder für Verwunderung. Beim Dortmunder Champions-League-Auftritt am Dienstag in Bologna (1:2) etwa schimpfte Sammer offen über den Zustand des aktuellen Teams. Unterhaltsam für die Zuschauer, ärgerlich für Sahin, der schon wenig später nicht mehr im Amt war. 

Schwierige Führungsstruktur als Hemmnis bei der Trainersuche?

Auch dies könnte die Suche nach einem Nachfolger erschweren. Nur sind sich die Macher offenbar auch in dieser Frage nicht einig. Mal fielen die Namen Erik ten Hag, der noch bei Manchester United unter Vertrag steht, Roger Schmidt oder Niko Kovac. Von anderer Seite war dann zu hören, der vermeintliche Favorit Kovac sei nicht die Wunschlösung, auch wenn der sich den Job offenbar vorstellen kann. «Ich bin ja schon ein Typ, der Herausforderungen braucht und auch sucht - unabhängig von diesem Thema», sagte der frühere Eintracht-, Bayern und Wolfsburg-Coach dem österreichischen Sender Canal+. 

Schmidt sagte bereits vor der Sahin-Beurlaubung, dass er im Winter keinen neuen Verein übernehmen wolle. Daran hat sich auch anschließend nichts geändert, bekräftige der frühere Coach von Bayer Leverkusen und Benfica Lissabon nun. 

Wer auch immer den kniffligen Job annimmt, muss die nicht behobene Unwucht im knappen Kader und die Unstimmigkeiten der Bosse im Hintergrund managen. Zudem droht demnächst eine Saison ohne die Champions-League-Millionen. Möglicherweise ist aber auch genau das die Chance für den BVB, um sich nicht nur auf der Trainerposition neu aufzustellen.

© dpa ⁄ Carsten Lappe, dpa
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