Auf den geradezu väterlichen Schutz seines Trainers Vincent Kompany kann sich Jonas Urbig verlassen. Plötzlich und unerwartet steht der deutsche U21-Nationaltorwart mit dem Bubi-Gesicht beim FC Bayern München im Scheinwerferlicht - und das mitten in der großen Bayer-Leverkusen-Woche des deutschen Fußball-Rekordmeisters.
Manuel Neuer raus, Urbig rein - das verleiht dem Bundesliga-Heimspiel des Tabellenführers an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen den VfL Bochum das gewisse Etwas. «Ich weiß, es ist jetzt eine Situation, wo es Spaß macht, das Thema drei, vier Tage aufzubauen. Aber von unserer Seite sind wir ganz ruhig», sagte Kompany.
«Wir haben eine unglaubliche Nummer eins», sagte er zum verletzten Neuer, «aber auch dahinter Jungs, die uns richtig helfen können». Das wird jetzt Urbig sein, der erfahrenere Sven Ulreich wird gegen Bochum auf der Bank sitzen.
Von der Kölner Ersatzbank ins Bayern-Tor
Nach Urbigs Feuertaufe im Bayern-Tor beim 3:0 gegen Bayer Leverkusen im Champions-League-Achtelfinale, als der 21-Jährige den an der Wade verletzten Neuer in der letzten halben Stunde ersetzte, baut Kompany ohne Bedenken auf das Ausnahmetalent. Ende Januar war Urbig für sieben Millionen Euro vom 1. Köln gekommen. Beim Zweitligisten saß er als Nummer zwei auf der Bank.
«Wenn wir einen Spieler holen, müssen wir ihm auch Vertrauen geben», sagte Kompany. Er werde «keinen Druck» auf den Jungen ausüben. «Es war gut für ihn, mal in der Champions League reinzukommen. In den nächsten Spielen haben wir das Vertrauen, dass er es so machen wird wie im Training. Und wenn nicht, auch kein Stress», versprach Kompany.
Das Alter und fehlende Erfahrung seien kein Problem, findet Kompany: «Man muss irgendwann anfangen: Junge Trainer, junge Spieler, junger Torwart. Da musst du durch, das gehört dazu.»
So redet ein Trainer seine Spieler stark. Wobei es dem hochtalentierten Urbig nicht an Selbstbewusstsein und erst nicht an Ehrgeiz mangelt. Er wirkt sehr reif für sein junges Alter - und er ist nach München gekommen, um irgendwann Deutschlands Rekordtorwart Neuer als Nummer eins zu beerben.
Urbig und der «große Schritt»
«Es ist natürlich ein großer Schritt zum FC Bayern. Aber ich bin überzeugt von dem Schritt», sagte Urbig bei seiner Vorstellung Ende Januar. Neben Neuer nannte er damals den ehemaligen spanischen Weltmeister Iker Casillas als Inspiration. «Mit ihnen als Idole bin ich aufgewachsen», sagte Urbig.
Gegen Leverkusen musste er ohne Vorwarnung für Neuer einspringen. Da konnte er sich keine großen Gedanken machen. «Für mich persönlich habe ich mich natürlich sehr gefreut, dass ich mein Debüt in der Champions League geben konnte», sagte er hinterher. Er dankte auch den Münchner Fans für «so eine positive Stimmung mir gegenüber». Vor allem aber sei er sehr konzentriert gewesen. «Ich habe versucht, die 30 Minuten zu meistern.»
Lob von Kane und Eberl
Danach gab es viel Lob für ihn, auch aus der Mannschaft. «Jonas kam rein und hat einen guten Job gemacht», sagte Torjäger Harry Kane. Sportvorstand Max Eberl war ebenfalls beeindruckt. «Jonas hat drei, vier Monate kein Spiel mehr gemacht und kommt dann in so ein Champions-League-Spiel rein. Du weißt ganz genau, jetzt schauen alle auf dich. Es hat aber so gewirkt, als ob es ihm gar nicht viel ausmacht. Er kommt rein und sagt, okay, jetzt stehe ich hier und spiele mein Spiel.»
Urbig soll die Bayern-Zukunft sein. Jetzt muss er aber schon in der Gegenwart zeigen, ob er zum Neuer-Nachfolger taugt. An so einer Aufgabe kann ein junger Spieler auch zerbrechen. Kompany erwartet deswegen Hilfestellung von Urbigs Vorderleuten: «Der Druck liegt immer auf den erfahrenen Spielern.»
Mit Blick auf das Rückspiel in Leverkusen will der Trainer gegen Bochum einerseits mehr rotieren als gewöhnlich, um seine Topspieler frisch zu halten. Andererseits würde es Sinn machen, sich Urbig im Wettkampf mit Vorderleuten wie Dayot Upamecano und Minjae Kim einspielen zu lassen - für Bayer.
Egal, wer aufläuft oder geschont wird, Kompany verlangt auch im Zwischenspiel gegen die abstiegsbedrohten Bochumer einen vollen Fokus aufs Gewinnen. «Diese Spiele sind gefährlich, wenn du da reingehst und denkst, das wird schon klappen», mahnte der Belgier. Bei Bundesliga-Debütant Urbig muss sich Kompany sicherlich nicht um die richtige Einstellung sorgen.