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Mehr Geld für Start-ups: Bayern überholt Berlin

Gestiegene Zinsen und vorsichtige Investoren haben viele deutsche Start-ups in eine Finanzierungskrise gestürzt. Nun erholt sich die Branche. Und die Dominanz der Gründermetropole Berlin bröckelt.
München
Berlin Alexanderplatz
Start-ups
Arbeiten im Coworking Space

Deutsche Start-ups bekommen nach einer Finanzierungskrise wieder mehr Geld von Investoren - und die Dominanz der Gründermetropole Berlin schwindet. 2024 überholte Bayern mit dem finanzstarken München die Hauptstadt, zeigt eine Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Dabei profitierten Gründer aus dem Freistaat vor allem vom Boom um Künstliche Intelligenz.

Start-ups aus Bayern sammelten laut Studie 2,33 Milliarden Euro Wagniskapital ein, gut 600 Millionen Euro mehr als 2023. Wachstumsfirmen aus Berlin erhielten 2,17 Milliarden (minus 200 Mio.). Damit ziehe der Freistaat erstmals an der Hauptstadt vorbei, heißt es in der Studie, die seit 2014 erscheint und auf der Datenbank «Crunchbase» sowie Mitteilungen von Start-ups und Investoren basiert. Zudem legte Nordrhein-Westfalen bei den Geldern stark zu auf 951 Millionen Euro (plus 620 Mio). 

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Große Deals in Bayern

Start-ups aus Bayern bekamen 2024 laut EY allein fünf der zehn größten Finanzierungen bundesweit. Vorn lag die Münchner Software-Firma Helsing, die auf Künstliche Intelligenz für die Rüstungsbranche spezialisiert ist, mit 450 Millionen Euro. Es folgten der Kölner Übersetzungsdienst DeepL (277 Mio.) und Black Semiconductor aus Aachen (254 Mio.). Berlin war in den Top-10 gar nicht vertreten. 

«Dass Bayern erstmals Berlin bei der Finanzierungssumme überholt hat, ist auf den Tech- und KI-Boom zurückzuführen – hier liegt Bayern vorn», sagt EY-Partner Thomas Prüver. Zugleich gebe es einen deutlichen Rückgang bei Geldern für Online-Händler, der traditionellen Stärke der Hauptstadt. Berlin bleibe aber eine der wichtigsten Gründermetropolen Europas und bei der Zahl der Finanzierungen mit 256 deutlich vor Bayern (164).

Erholung nach Krise 

Insgesamt sammelten deutsche Start-ups 2024 gut sieben Milliarden Euro Wagniskapital ein. Das ist knapp eine Milliarde oder 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit erholt sich die Gründerbranche von ihrer Krise, die nach dem Zinsanstieg ausgebrochen war. Noch 2022 hatten deutsche Start-ups EY zufolge 9,8 Milliarden Euro Wagniskapital eingeworben und im Rekordjahr 2021 sogar 17,3 Milliarden. 

Wagniskapital, mit dem sich Fonds und Konzerne an Start-ups beteiligen, gilt als Schlüssel für Wachstum. Die Start-up-Szene 2024 habe sich trotz schwacher Konjunktur stabilisiert, sagte EY-Partner Prüver. «Das zweite Halbjahr könnte sogar die Trendwende gebracht haben.»

Berlin nicht mehr einziger Leuchtturm

Dass die deutsche Gründerbranche vielfältiger wird, zeichnet sich seit Jahren ab. So ist mit dem forschungsstarken München ein weiteres Gründerzentrum neben Berlin entstanden. «Jetzt zahlt sich aus, dass Bayern, insbesondere München, in den letzten Jahren bei Forschung und Hochschulen einen Fokus auf Ausgründungen gelegt hat», meint Verena Pausder, Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands.

Viele Firmen entstehen zudem in Universitätsstädten wie Heidelberg, Aachen und Darmstadt. Solche forschungsnahen Standorte seien neben dem internationalen Hotspot Berlin zunehmend das zweite Erfolgsmodell in Deutschland, meint der Verband. 

Start-ups abhängig vom Ausland

Deutsche Start-ups hatten in der Pandemie von einem Digitalisierungsschub und niedrigen Zinsen profitiert. Doch als mit der Inflation die Zinsen stiegen, hielten sich Investoren zurück. Die Investments in Start-ups brachen 2023 ein. Viele strichen Jobs, andere wie der Lieferdienst Gorillas wurden übernommen. Die Finanzierungskrise zeigte sich auch beim Elektroflugzeugbauer Lilium, der nach einem Insolvenzantrag gerade erst gerettet wurde. 

Viele deutsche Start-ups kommen in der frühen Wachstumsphase an Geld, bei großen Summen sind sie aber meist auf angelsächsische Investoren angewiesen. Hierzulande werden 90 Euro pro Kopf in Wagniskapital investiert, in den USA (510 Euro) sind es laut Startup-Verband fast sechsmal so viel. «Die gute Nachricht darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir im internationalen Vergleich weiter starken Nachholbedarf haben», sagt Pausder.

Um die jährliche Finanzierungslücke von rund 30 Milliarden Euro zu schließen, müssten sich die Wagniskapital-Investitionen in Deutschland bis 2030 verdreifachen und auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung wachsen, meint der Startup-Verband. Dazu sei mehr Geld von Großinvestoren wie Versicherungen nötig. Sie dürfen aber nur beschränkt in Wagniskapital investieren. 

Langfristiger Aufwärtstrend

Immerhin: Langfristig hat der Gründerstandort Deutschland große Fortschritte gemacht ab, wie jüngst auch der Londoner Risikokapitalgeber Atomico feststellte. Inzwischen zählt der Startup-Verband 29 Firmen mit Milliarden-Bewertung. Die Förderbank KfW, die eine Initiative großer Konzerne für mehr Wagniskapital-Investments koordiniert, sieht wieder ein besseres Umfeld für die Branche - dank sinkender Zinsen.

Bei den Gründungen geht es ebenfalls wieder aufwärts. 2024 entstanden 2.766 neue Firmen, 11 Prozent mehr als im Vorjahr, bilanzierte der Startup-Verband. «Krisenzeiten sind Gründungszeiten.»

© dpa ⁄ Alexander Sturm, dpa
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