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Lagarde: Europa braucht dringend einheitlichen Kapitalmarkt

Europa braucht viel Geld, um die Herausforderungen der nächsten Jahre zu bewältigen. Doch einen gemeinsamen Kapitalmarkt gibt es nicht. Nun setzen zunehmende Spannungen die Europäer unter Zugzwang.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde sieht einen Handlungsdruck in Europa. © Helmut Fricke/dpa

EZB-Präsidentin Christine Lagarde dringt angesichts drohender Handelskonflikte auf Fortschritte beim Zusammenwachsen der Finanz- und Kapitalmärkte in Europa. Die Kapitalmarktunion sei «der Schlüssel, um in einer fragmentierten Weltwirtschaft widerstandsfähiger zu werden», sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) beim «Frankfurt European Banking Congress».

«Die Kapitalmärkte sind das fehlende Bindeglied für die Europäer, um ihre hohen Ersparnisse in größeren Wohlstand umzuwandeln - was sie letztendlich in die Lage versetzen wird, mehr auszugeben und unsere Binnennachfrage zu stärken», argumentierte Lagarde. Diese wachsende Dringlichkeit gehe jedoch nicht einher mit greifbaren Fortschritten auf dem Weg zur Kapitalmarktunion.

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Bei der Kapitalmarktunion geht es im Kern darum, bürokratische Hürden zwischen den einzelnen Staaten der Europäischen Union abzubauen. Dann hätten zum Beispiel Unternehmen grenzübergreifend mehr Möglichkeiten, sich Geld für Investitionen zu beschaffen. Seit 2015 liegen Pläne der EU-Kommission auf dem Tisch.

Bundesbank-Präsident fordert Mentalitätswandel

Dass die Finanzmärkte in Europa bis heute zersplittert sind, liegt nach Ansicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel «nicht zuletzt an der mangelnden Bereitschaft der Mitgliedstaaten, ihre nationalen Interessen der gemeinsamen Sache unterzuordnen». Der Bundesbank-Präsident mahnte: «Wir müssen diese Mentalität überwinden und die unsichtbaren Mauern einreißen, die die Integration der Finanzmärkte behindern.» 

Nagel bekräftigte, der Ausgang der US-Wahlen habe den Handlungsbedarf noch dringlicher gemacht. Der designierte US-Präsident Donald Trump hat neue Zölle von 10 bis 20 Prozent auf Einfuhren aus Europa angekündigt. Handelskonflikte mit den USA könnten die schwächelnde Konjunktur zusätzlich unter Druck setzen.

Deutschland und Frankreich als Motor

In einem gemeinsamen Appell fordern Nagel und der Chef der französischen Notenbank, François Villeroy de Galhau, dass Deutschland und Frankreich wie in früheren Krisen wieder an einem Strang ziehen. Die beiden Länder hätten trotz Meinungsverschiedenheiten immer wieder Kompromisse gesucht und Europa gemeinsam vorangebracht. 

«Wie wir uns mit einem klareren Blick für das Dringliche weiterentwickeln müssen, lässt sich in drei Punkten zusammenfassen», schreiben Nagel und de Galhau in ihrem Beitrag, der in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» und in der französischen Tageszeitung «Le Monde» veröffentlicht wurde: «Vertiefung unseres Binnenmarktes, Schaffung einer Spar- und Investitionsunion und Abbau der Bürokratie, um Innovationen zu fördern. Oder um es physiologisch auszudrücken: Größe × Kraft × Geschwindigkeit.»

Kapital wandert ab

Ziel der EU ist auch, dass mehr Kleinanleger an den hiesigen Finanzmärkten investieren, damit mehr Kapital für den grünen und digitalen Wandel zur Verfügung steht. Europa müsse Sparerinnen und Sparern Produkte anbieten, die zugänglich, transparent und erschwinglich seien, meint EZB-Präsidentin Lagarde: «Meiner Meinung nach ist ein „europäischer Sparstandard“ - ein standardisiertes, EU-weites Paket von Sparprodukten - der beste Weg, um diese Ziele zu erreichen.»

Selbst wenn die Ersparnisse der Europäer die Kapitalmärkte erreichten, breiteten sich diese nicht in der gesamten europäischen Wirtschaft aus. «Das Kapital in Europa ist entweder innerhalb der nationalen Grenzen gefangen oder wandert in die Vereinigten Staaten ab», sagte Lagarde.

Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) bekräftigte, Europa brauche «transparente, grenzüberschreitende Anlageprodukte, die den Bedürfnissen der Verbraucher entsprechen». Es brauche einen flexiblen europäischen Rahmen für Investmentprodukte, der mit den verschiedenen nationalen Anlage- und Rentensystemen kompatibel sei. «Gemeinsam mit unseren französischen Kollegen werden Experten des Bundesfinanzministeriums das Konzept mit anderen Mitgliedstaaten und der Finanzindustrie diskutieren», sagte Kukies.

© dpa
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