Sie stechen Spargel, pflücken Erdbeeren oder helfen bei der Weinlese - und das zuweilen unter prekären Bedingungen: Auch in ihrem Saisonbericht 2024 prangert die gewerkschaftliche Initiative Faire Landarbeit teils illegale Beschäftigungsbedingungen für Saisonarbeiterinnen und -arbeiter in der Landwirtschaft an. Laut Deutschem Gewerkschaftsbund gibt es aber teils auch Fortschritte.
Die von der Gewerkschaft IG BAU und kirchlichen Beratungsstellen unterstützte Initiative sprach von einigen Fällen nicht menschenwürdiger Behandlung. So zahlten manche Saisonarbeiter bis zu 800 Euro für ein Bett im Mehrbettzimmer und Verpflegung. «Wenn man das umrechnet, sprechen wir hier von Mieten von bis zu 60 Euro pro Quadratmeter», sagte IG-BAU-Vize, Harald Schaum.
«Wuchermieten» für teils prekäre Unterkünfte
Solche «Wuchermieten» stünden in keinem Verhältnis zu den Wohnbedingungen: Es handle sich in untersuchten Fällen um «ungedämmte Metallcontainer» mit abgenutzten Möbeln, durchgelegenen Matratzen und zu wenigen Sanitäranlagen. Manchmal müssten sich 6, 10 oder gar 14 Beschäftigte ein Zimmer teilen. Deutschland habe 2024 eine Konvention zu Mindeststandards im Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Landwirtschaft ratifiziert, die unter anderem eine gute Unterbringung von Saisonarbeitskräften von den Arbeitgebern fordere. Davon sei die Realität «ziemlich weit entfernt», sagte Schaum. Die Probleme beschränkten sich zudem nicht auf einzelne schwarze Schafe, sondern seien «offenbar systematisch».
Initiative sieht Mindestlohnverstöße
Ein Trick sei, die Unterkünfte in eine Art Immobiliengesellschaft auszulagern. So könnten die Mieten nicht vom Lohn direkt abzogen werden, schilderte die Initiative. Diese seien dann aber so hoch, dass im Endeffekt nicht einmal der gesetzliche Mindestlohn eingehalten werde. «Und die Saisonkräfte selber sagen, wenn der Mindestlohn steigt, dann steigt auch die Miete. Das darf natürlich so auf gar keinen Fall weiterhin passieren», so Schaum. Teils müssten Arbeiterinnen und Arbeiter zudem bis zu zwölf Stunden am Tag arbeiten, dann fielen wieder ganze Tage aus, die nicht entlohnt würden.
Auch Fälle von sexualisierter Gewalt
Auch berichtete das Bündnis von sexualisierter Gewalt gegen Frauen, die knapp die Hälfte der Saisonbeschäftigten ausmachten. Bei den aufgedeckten Fällen sei es jeweils um Vorarbeiter gegangen, «die ihre Machtposition missbrauchten und die Arbeiterinnen zu sexuellen Handlungen zwangen, indem sie ihnen zum Beispiel mit Entlassung drohten», sagte Schaum.
Bauernverband weist Vorwürfe zurück
Ein Sprecher des Deutschen Bauernverbands wies die Vorwürfe zurück, diese seien «in dieser Pauschalität völlig haltlos». Es sei zudem fraglich, warum nicht Staatsanwaltschaften bei den von der Initiative dargestellten Taten eingeschaltet worden seien.
DGB sieht auch Verbesserungen bei Arbeitsbedingungen
Für den Bericht, der seit 2018 jährlich erscheint, ist die Initiative Faire Landarbeit nach eigenen Angaben bundesweit 40 Mal aufs Feld gegangen, dabei trat sie mit etwa 3.100 Saisonbeschäftigten in Kontakt. Nach neusten Zahlen für 2023 arbeiteten den Abgaben zufolge knapp 243.000 Menschen aus dem Ausland auf deutschen Feldern. Sie helfen etwa bei der Ernte von Spargel, Beeren, Gurken, Kürbissen, Äpfeln und Weintrauben.
Ziel der Initiative sei auch, die Menschen aus osteuropäischen Ländern schon vorab zu beraten, «bevor sie einen schlechten Vertrag unterschreiben», sagte Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Man wolle nicht alle Arbeitgeber über einen Kamm scheren - es hätten sich auch einige Dinge verbessert. So nehme die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Landwirtschaft zu, das sei ein sehr gutes Signal. Einige Betriebe böten zudem auch angemessene Unterkünfte und transparente Lohnabrechnungen.