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1,9 Millionen Menschen fordern Böllerverbot

Mehr als 1,9 Millionen haben zwei Petitionen für ein Böllerverbot unterschrieben. Der Pyrotechnik-Verband sieht in der Debatte eine Vermengung von Sprengstoffkriminalität und friedlichem Feuerwerk.
Petitionsübergabe Böllerverbot
Petitionsübergabe Böllerverbot
Petitionsübergabe Böllerverbot
Petitionsübergabe Böllerverbot
Petitionsübergabe Böllerverbot

Mehr als 1,9 Millionen Menschen haben Petitionen für ein bundesweites Böllerverbot unterschrieben. Das teilten die Initiatoren - die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) - mit. Sie übergaben die Unterschriftensammlungen an das Bundesinnenministerium.

«Gegen die chaotischen Zustände zum Jahreswechsel hilft nur ein generelles Böllerverbot», erklärte der Bundesgeschäftsführer der DUH, Jürgen Resch. «Die Böllerei an Silvester verursacht immense Schäden. Zahlreiche Menschen werden auch mit legalen Böllern jedes Jahr verstümmelt, schwer verbrannt oder sogar getötet.»

Komplettes Pyrotechnik-Verbot für Privatgebrauch gefordert

«Wenn weit mehr als eine Million Menschen für eine Gesetzesveränderung unterschreibt, kann auch verantwortliche Politik das nicht mehr einfach wegatmen und zur Tagesordnung übergehen», sagte der Berliner GdP-Landeschef Stephan Weh laut Mitteilung.

Es geht um ein komplettes Pyrotechnik-Verbot für den Privatgebrauch. Ziel ist der Schutz von Mensch, Tier und Umwelt. In der vergangenen Silvesternacht waren bundesweit fünf Menschen durch Böller ums Leben gekommen, es gab viele Verletzte, darunter auch Kinder. Allein in Berlin wurden laut der dortigen Gesundheitsverwaltung 363 Menschen durch Feuerwerk verletzt.

Mehr als 360 Verletzte allein in Berlin 

In vielen Fällen handelt es sich nach Angaben von Berlins Gesundheitssenatorin Ina Czyborra um leichte Verletzungen, zum Beispiel oberflächliche Verbrennungen. «Es gab aber zahlreiche Personen, die schwer und schwerst verletzt wurden», so die SPD-Politikerin. Bei einigen gebe es keine Aussicht auf eine vollständige Genesung.

Die Berliner Polizei hat beim aktuellen Jahreswechsel 1.453 für Silvester typische Straftaten registriert - 125 mehr als vor einem Jahr. 58 Polizisten und Polizistinnen sowie ein Mitarbeiter eines Rettungsdienstes wurden nach jüngsten Angaben der Behörde angegriffen. Verletzt wurden dabei 17 Polizisten, 8 davon durch Pyrotechnik.

Petition soll vor Gewalt durch Pyrotechnik schützen

«Wir haben diese Petition als Berliner GdP ins Leben gerufen, um unsere Kolleginnen und Kollegen vor Gewalt durch Pyrotechnik zu schützen, und freuen uns über die große Unterstützung», so GdP-Landeschef Weh.

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) unterstützt die Petition. Böller töteten und verletzten zahlreiche Menschen, verursachten Tonnen an giftigem Feinstaub und lösten vor allem bei Vögeln Panik und Fluchtreaktionen aus. «Die gefährliche Ballerei ist umwelt- und naturschädlich und einfach nicht mehr zeitgemäß», teilte der Nabu mit, der schon länger für ein Verbot von privatem Feuerwerk wirbt. Die Organisation spricht sich für von Städten und Gemeinden organisiertes Feuerwerk oder Lichtshows aus.

GdP: Können Mitleidsbekundungen nicht mehr hören

Gestartet worden war die Sammlung der Unterschriften bei der GdP bereits nach Böllerexzessen vor zwei Jahren. Über den jüngsten Jahreswechsel stieg die Zahl der Unterschriften stark. «Jedes Jahr Anfang Januar wird darüber geredet, viel versprochen, aber nichts gegen diesen Wahnsinn getan. Ehrlich gesagt können wir diese Mitleidsbekundungen aus dem politischen Raum nicht mehr hören, wenn sich an den Rahmenbedingungen nicht endlich etwas ändert», kritisierte GdP-Landeschef Weh.

In diesem Jahr wird die Diskussion neu entfacht durch schwere Vorfälle mit sogenannten Kugelbomben, die wegen ihrer hohen Explosionskraft hierzulande nicht für den Allgemeingebrauch zugelassen sind. Sie werden hauptsächlich in professionellen Großfeuerwerken bei Veranstaltungen eingesetzt.

Schwere Vorfälle bei Explosionen in Berlin

In Berlin wurde ein Siebenjähriger bei der Explosion einer solchen - illegal gezündeten - Kugelbombe lebensgefährlich verletzt und musste notoperiert werden. In Brandenburg gab es einen Toten. Und in Berlin-Schöneberg wurden bei einer Explosion durch die Wucht Häuserfassaden sowie Autos beschädigt und mehr als 30 Wohnungen zeitweise unbewohnbar.

 

Pyrotechnik-Verband: Illegales Feuerwerk ist das Problem

Der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk machte vor allem das illegale Feuerwerk für die Verletzten verantwortlich. «Das Vermengen von Sprengstoffkriminalität mit der friedvollen Verwendung von geprüftem und sicherem Kleinfeuerwerk ist Populismus unterster Schublade», sagte Vorstandsmitglied Ingo Schubert.

Das intensiv geprüfte und mit CE-Zertifizierung versehene legale Feuerwerk sei nicht mit den Explosivstoffen vergleichbar, die in der Silvesternacht zu Sachschäden, Verletzungen oder Todesfällen führten, so der Verband. Die in Wirklichkeit größte Petition hätten die Bürgerinnen und Bürger in der Silvesternacht abgegeben, indem Millionen Menschen friedlich und sicher mit Feuerwerk gefeiert hätten, argumentierte der Interessenverband.

Kanzler: «Irgendwie komisch»

Die DUH kündigte an, alle Innenminister zu einer Veranstaltung einzuladen, bei der die Opfer der Silvesterböllerei zu Wort kommen. Es sei ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Forderung nach einem Böllerverbot als «irgendwie komisch» bezeichnet habe. 

Scholz hatte dem Magazin «Stern» gesagt: «Ich bin dafür, dass wir ordentliche Regeln haben für das Zeug, das da hergestellt wird. Aber ein Böllerverbot finde ich irgendwie komisch.» Auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich gegen ein Böllerverbot ausgesprochen.

© dpa ⁄ Antje Kayser und Marion van der Kraats, dpa
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