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Selenskyj: Kein Waffenstillstand ohne Sicherheitsgarantien

Im Abwehrkampf gegen die russische Armee lehnt der ukrainische Präsident einen bedingungslosen Waffenstillstand ab. Und für neue Waffenkäufe hat er eine Idee.
Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lehnt einen Waffenstillstand mit Russland ohne Sicherheitsgarantien für sein Land ab. © Denes Erdos/AP/dpa

Ein Waffenstillstand im Krieg mit Russland kommt für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ohne Sicherheitsgarantien für die Ukraine nicht infrage. «Ein Waffenstillstand wird dann kommen, wenn der Staat, der im Krieg ist, besonders das Opfer, weiß, dass es Sicherheitsgarantien haben wird», sagte der Staatschef auf einer Pressekonferenz in Budapest, wo er am Donnerstag beim Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) aufgetreten war. Lippenbekenntnisse seien zu wenig.

Es sei auch «Nonsens», den Nato-Beitritt der Ukraine abzulehnen und gleichzeitig einen Waffenstillstand zu fordern, wie es der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban tue. «Daher ist ein Staatsführer, der einen Waffenstillstand fordert, doch gegen Sicherheitsgarantien auftritt, einfach ein Schönredner», sagte Selenskyj.

Die Forderung einiger Staatsführer nach einem Waffenstillstand bezeichnete er als «sehr gefährliche Rhetorik». «Zuerst ein Waffenstillstand und dann sehen wir weiter. Wer seid ihr (so etwas zu verlangen)? Sterben eure Kinder, werden eure Häuser zerstört? Wovon ist hier die Rede?», fragte der Präsident. Die nach 2014 vereinbarten Waffenstillstände im ostukrainischen Donbass seien nur eine Vorbereitung auf die russische Vollinvasion gewesen. Das führe zur fortgesetzten Besetzung der Ukraine und zerstöre die ukrainische Souveränität. Das können ihm zufolge nur «Sofaexperten» verlangen, die Kriege lediglich aus Büchern oder Filmen kennen. 

Aufrufe zum Waffenstillstand gebe es dabei nicht nur in Europa, sondern auch von Brasilien und China. «Und wichtig ist, dass wir das auch von Russland hören. Das ist ein ausgezeichnetes Modell für die Russische Föderation», fügte er hinzu. Ohne einen klaren Plan für das Danach sei eine Einstellung der Kämpfe verantwortungslos.

Schwere russische Drohnenangriffe

Am Donnerstagabend attackierte das russische Militär die südukrainische Hafenstadt Odessa und das Umland mit Kampfdrohnen. In der Stadt seien Explosionen zu hören gewesen, meldete die Nachrichtenagentur Ukrinform. Nach Angaben des Militärgouverneurs Oleh Kiper gab es mindestens zwei Verletzte. Mehrere Wohnhäuser hätten gebrannt, schrieb er auf Telegram. Außerdem habe es in der Stadt Schäden an der Fassade einer Schule und an zwei Gasleitungen gegeben.

Auch in der ostukrainischen Großstadt Charkiw gab es Angriffe. Bürgermeister Ihor Terechow berichtete auf Telegram von mindestens 13 Verletzten, nachdem ein zwölfstöckiges Hochhaus getroffen wurde. Mehrere Stockwerke seien zerstört worden. 

Für andere Gebiete warnte die ukrainische Luftwaffe vor russischen Drohnenangriffen. In weiten Teilen des Landes, darunter der Hauptstadt Kiew, galt stundenlang Luftalarm. Seit Wochen greift das russische Militär täglich Ziele auch tief im ukrainischen Hinterland mit Dutzenden Kampfdrohnen an.

Russische Milliarden für ukrainische Waffenkäufe

Selenskyj erhob darüber hinaus Anspruch auf in der Europäischen Union und anderen Staaten beschlagnahmte russische Milliardenbeträge. «Können wir diese 300 Milliarden (US-Dollar) nehmen, die uns gehören? Dürfen wir die 300 Milliarden nehmen, unser Volk unterstützen und mit diesem Geld Waffen in allen Ländern der Welt kaufen?», fragte der Staatschef in Budapest. Das sei eine Antwort auf die Frage, was Kiew machen könne, falls die USA unter dem gewählten Präsidenten Donald Trump die Unterstützung für die Ukraine einstelle. 

Zudem sei es nur gerecht, da die von Russland verursachten Zerstörungen in der Ukraine ein Vielfaches der beschlagnahmten Summe betrügen. Ein «starkes Europa» würde nicht nur auf Washington schauen, sondern eine «starke Entscheidung treffen» und das Geld der Ukraine geben.

Zugleich forderte Selenskyj eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland und führte als Beispiel die Öltanker einer «russischen Schattenflotte» an, die ungehindert durch Gewässer von EU- und Nato-Staaten führen. «Allein die "Schattenflotte" Russlands verdiente in fast drei Jahren Krieg mehr als die ganzen Hilfen der Welt für die Ukraine in diesem Krieg zusammengenommen», unterstrich er. Daher könne die Ukraine mit dem Kriegsgegner schon allein finanziell nicht mithalten. 

Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 wurden in mehreren Staaten der Europäischen Union mehr als 200 Milliarden Euro an Geldern der russischen Zentralbank eingefroren. Ein Teil der Zinseinnahmen soll als Sicherheit für einen Milliardenkredit der EU an die Ukraine dienen.

Erste Verluste unter Nordkoreanern?

Bei Gefechten zwischen ukrainischen und nordkoreanischen Soldaten im russischen Grenzgebiet gab es Angaben aus Kiew zufolge erste Opfer. «Ja, es gibt bereits Verluste. Das ist eine Tatsache», sagte Selenskyj in Budapest, ohne Details zu nennen. Seinen Worten nach sind einige der 11.000 nordkoreanischen Soldaten im russischen Grenzgebiet Kursk in Kämpfe mit der ukrainischen Armee verwickelt. 

Selenskyj bezeichnete den Einsatz von Nordkoreanern durch Moskau als «neue Welle der Eskalation» und forderte den Westen erneut zu einer Reaktion in Form einer Freigabe von weitreichenden Waffen gegen Ziele in Russland auf. «Ich halte das für gerade den Moment, in dem man das tun muss», betonte der Staatschef. 

Sollte eine Reaktion ausbleiben, dann werde der Kreml ein noch größeres Kontingent an Nordkoreanern einsetzen, meinte Selenskyj. «Denn (der russische Präsident Wladimir) Putin schaut immer darauf, welche Reaktion der Welt es gibt», sagte er. Aktuell reagiere die Welt nicht ausreichend.

Seit mehreren Wochen warnt die Ukraine vor einem Einsatz nordkoreanischer Soldaten auf russischer Seite. Die USA und Südkorea hatten die Anwesenheit der Nordkoreaner in Russland bestätigt. Die Ukraine wehrt sich seit mehr als zweieinhalb Jahren mit westlicher Hilfe gegen die russische Invasion.

© dpa
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