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Lage in Gaza: Israel droht Einschränkung von US-Militärhilfe

Außenministerin Baerbock beschreibt die Lage im Gazastreifen mit drastischen Worten. Auch die US-Regierung mahnt immer wieder. Zieht sie jetzt Konsequenzen?
Kinder im Gazastreifen
Nahostkonflikt - Hilfslieferung am Grenzübergang Erez
Nahostkonflikt - Hilfslieferung am Grenzübergang Erez

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als einem Jahr haben die USA Israel mit Militärhilfe in Milliardenhöhe unterstützt. Mit Ablauf einer von den USA am 13. Oktober gesetzten 30-tägigen Frist, binnen derer Israel die humanitäre Lage im Gazastreifen verbessern sollte, drohen dem jüdischen Staat jedoch Einschränkungen dieser Unterstützung. 

«In dieser Woche werden wir entscheiden, welche Fortschritte sie (Israel) gemacht haben», sagte Präsident Joe Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan im Sender CBS. Dann werde man über eine entsprechende Reaktion entscheiden. 

Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter und mit Abstand größter Waffenlieferant. Welche Waffen genau von etwaigen Kürzungen betroffen sein könnten, ist unklar. Eine solche Maßnahme könnte Israel auf jeden Fall empfindlich treffen. Für die USA ist es ein Dilemma: Sie wollen Israel in der Gaza-Frage zur Bewegung zwingen, gleichzeitig aber nicht die Verteidigungsfähigkeit des Landes gegen seine Feinde, allen voran den Iran, einschränken. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass vor allem Angriffswaffen betroffen sein könnten, nicht jedoch Abwehrsysteme etwa gegen Raketenangriffe aus dem Iran. 

Die USA haben trotz ihrer Kritik an der israelischen Kriegsführung bislang darauf verzichtet, die Militärhilfe einzuschränken. Sollte es nun wirklich dazu kommen, kann die Regierung von Benjamin Netanjahu auf einen alten Verbündeten hoffen: Die neue US-Führung unter Donald Trump könnte etwaige Einschränkungen im kommenden Jahr wieder rückgängig machen. 

US-Warnbrief zu humanitärer Lage im Gazastreifen

US-Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin hatten im Oktober in einem scharf formulierten Brief ihre «tiefe Besorgnis» über die humanitäre Lage in Gaza geäußert und «dringende und nachhaltige Maßnahmen» seitens der israelischen Regierung gefordert.

Vor einer Woche hatte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, zugestanden, Israel habe wichtige Schritte für mehr humanitäre Hilfe unternommen. Jedoch sei mehr nötig, um die Not der Menschen in dem dicht besiedelten, abgeriegelten und nach mehr als einem Jahr Krieg weitgehend zerstörten Küstengebiet zu lindern.

Israels Militär verkündet Ausweitung humanitärer Zone

Die israelische Armee verkündete kurz vor Ablauf der Frist zur Umsetzung der US-Forderungen eine Ausweitung der sogenannten humanitären Zone im umkämpften Gazastreifen. In der Zone gebe es Feldkrankenhäuser, Zelte sowie Nahrungsmittel, Wasser und Medikamente, teilte der Sprecher der Armee in arabischer Sprache mit.

Einwohner Gazas verweisen jedoch darauf, dass es keinen sicheren Ort in dem Küstenstreifen gebe. Auch in der als sicher deklarierten Zone hatte es immer wieder tödliche Angriffe der Armee gegeben. 

Warnungen vor Hungersnot im Norden

Hilfsorganisationen haben eindringlich vor einer Hungersnot besonders im Norden des Küstenstreifens gewarnt. Außenministerin Annalena Baerbock forderte Israel deshalb auf, alle Grenzübergänge für Hilfslieferungen zu öffnen. «Noch nie in den letzten 12 Monaten kam so wenig Hilfe in den Gazastreifen wie jetzt», kritisierte sie. Israel habe diesbezüglich immer wieder Zusagen gemacht, die dann aber «nicht eingehalten wurden». Die USA fordern Medienberichten zufolge unter anderem, dass Israel mindestens 350 Lastwagen pro Tag durch alle vier Grenzübergänge in den Gazastreifen lasse und dass ein fünfter Übergang geöffnet wird.

Ein Großteil der mehr als zwei Millionen Menschen in Gaza litten an «akuter Mangelernährung, lebt in unvorstellbaren Zuständen», erklärte Baerbock weiter. An keinem Ort der Welt gebe es auf so kleinem Raum so viele Kinder mit Amputationen. «Weite Teile Gazas sind ein absolutes Trümmerfeld», so die Ministerin.

Angesichts des herannahenden Winters sei nichts dringlicher als die Freilassung der Geiseln in der Gewalt der islamistischen Terrororganisation Hamas sowie die Lieferung dringend benötigter Hilfsgüter für die Zivilbevölkerung - «Nahrungsmittel, Wasser, Medizin, Hygieneartikel, Zelte».

Problem der Plünderungen von Hilfslieferungen

Nach Darstellung Israels werden Hilfslieferungen immer wieder von der islamistischen Hamas geplündert, die die Güter dann zu Wucherpreisen an die Bevölkerung verkaufe und so ihre fortwährende Herrschaft sichern wolle.

Die linksliberale israelische Zeitung «Haaretz» berichtete, im Bereich der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens hätten sich bewaffnete Banden organisiert, die Hilfstransporte plünderten. Die israelische Armee verhindere dies nicht aus Sorge, dass beim Eingreifen internationale Hilfsarbeiter zu Schaden kommen könnten. Dies wiederum könne internationale Kritik an Israel noch verstärken. Die Plünderungen zeigten «die komplette Anarchie, die in Gaza herrscht, weil es keine funktionierende zivile Regierung gibt», schrieb das Blatt. 

Israel erwägt Optionen zur Verteilung der Güter

Die israelische Nachrichtenseite «Ynet» berichtete, die politische Führung in Israel erwäge mit Blick auf die Hilfslieferungen drei Optionen. Eine sei, nichts gegen den gegenwärtigen Zustand zu unternehmen, obwohl Hamas Hilfslieferungen abgreife. Die anderen Optionen seien die Verteilung der Hilfsgüter durch die israelische Armee - obwohl sie das ablehnt - oder dass ein US-Sicherheitsunternehmen die Verteilung übernimmt. 

Die von der internationalen Gemeinschaft angestrebte Übernahme der Kontrolle im Gazastreifen durch die palästinensische Autonomiebehörde lehnt Israels Regierung ab - ebenso wie eine Zweistaatenlösung.

Redaktionshinweis: In einer früheren Version dieser Meldung hieß es, am 13. Oktober ende eine Frist der USA, die humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern. Es muss richtig heißen, dass die Frist von den USA am 13. Oktober gesetzt wurde und in dieser Woche endet.

© dpa ⁄ Sara Lemel, dpa
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