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Georgiens Präsidentin nennt Parlamentswahl gefälscht

Die Südkaukasusrepublik Georgien hat bei einer Schicksalswahl auch über den EU-Kurs des Landes abgestimmt. Über das Ergebnis gibt es Streit. Die prowestliche Opposition will auf die Straße gehen.
Parlamentswahl in Georgien
Nach der Parlamentswahl in Georgien
Parlamentswahl in Georgien
Parlamentswahl in Georgien

Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili hat das Ergebnis der Parlamentswahl in ihrem Land als durchgehend verfälscht kritisiert. Sie erkenne das Ergebnis nicht an, sagte sie in Tiflis (Tbilissi) und rief für Montag zu Protesten auf. Zuvor hatte die Wahlkommission die regierende Partei des reichsten und mächtigsten Mannes im Land, Bidsina Iwanischwili, mit knapp 54 Prozent der Stimmen zur Siegerin erklärt. Damit spitzt sich in dem kleinen Nachbarland Russlands im Südkaukasus der Konflikt zwischen der prowestlichen Opposition und der zunehmend nationalkonservativen Regierungspartei zu. 

Internationale Beobachter bemängelten zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei der Wahl vom Samstag. Drei Oppositionsbündnisse erklärten, sie würden ihre Mandate nicht antreten. «Wir werden dem Stimmendiebstahl am georgischen Volk keine Legitimität verleihen, wir geben unsere Parlamentsmandate ab», sagte etwa Nana Malaschchia von der Koalition für Wandel laut Medienberichten. 

Iwanischwili dagegen hatte sich schon kurz nach Schließung der Wahllokale in Tiflis als Sieger präsentiert. Die traditionell gespaltene Opposition befürchtet, dass sich Georgien unter Führung des in Moskau reich gewordenen Oligarchen noch stärker dem Nachbarn Russland zuwendet und endgültig von seinem EU-Kurs abkommt.

Insgesamt waren rund 3,5 Millionen Georgier im In- und Ausland zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag nach vorläufigen Angaben bei rund 59 Prozent - drei Prozentpunkte höher als 2020. Das Land am Schwarzen Meer hat 3,7 Millionen Einwohner und ist seit Ende 2023 EU-Beitrittskandidat. Der Beitrittsprozess liegt aber wegen umstrittener Gesetze auf Eis. 

Regierungspartei schürte Ängste vor Krieg mit Russland

Die Regierungspartei Georgischer Traum versprach im Wahlkampf Frieden und Stabilität - und schürte Ängste vor einem Krieg mit Russland, sollte die Opposition gewinnen. Regierungschef Irakli Kobachidse wies Vorwürfe einer Wahlfälschung zurück. «Unser Sieg ist offensichtlich», sagte er. Die Opposition habe auch bei den vergangenen Abstimmungen nie die Größe gehabt, ihre Niederlage einzuräumen. Die Partei Georgischer Traum regiert seit 2012. 

Kobachidse erhielt Glückwünsche zum Sieg vom ungarischen Regierungschef Viktor Orban und von den Nachbarn im Südkaukasus: von Aserbaidschans Staatschef Ilham Aliyev und Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan. Orban wird nach georgischen Regierungsangaben bereits am Montag zu einem zweitägigen Besuch in Tiflis erwartet.

Oppositionsbündnisse wollen um Sieg kämpfen

Die prowestlichen Oppositionsbündnisse kündigten an, um den Sieg zu kämpfen. Sie sind zwar untereinander zerstritten, haben als gemeinsamen Nenner aber das Ziel, den 68 Jahre alten Milliardär Iwanischwili loszuwerden und einen EU-freundlichen Kurs einzuschlagen. Die Wahlleitung habe nur Iwanischwilis Befehlen gehorcht, sagte die Chefin der Partei Vereinte Nationale Bewegung, Tinatin Bokutschawa. Die rechtlichen Möglichkeiten der aktuellen Präsidentin Surabischwili, die Vorgänge zu beeinflussen, sind aber begrenzt. Sie kann sich weigern, das neue Parlament zur konstituierenden Sitzung einzuberufen. Georgischer Traum kündigte aber an, dann laut Verfassung zehn Tage später ohne Präsidentin zum ersten Mal zu tagen.

OSZE-Beobachter kritisieren Georgien-Wahl

Internationale und georgische Wahlbeobachter kritisierten eine Vielzahl von Verstößen. Das proeuropäische Bündnis Myvote aus verschiedenen Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen beklagte, das Ergebnis spiegele nicht den Wählerwillen wider.

Dagegen legten sich die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) trotz mehrfacher Fragen von Journalisten nicht eindeutig fest, ob der Urnengang fair und frei verlaufen sei. Sie verwiesen darauf, dass es 18 Kandidatenlisten auf den Wahlzetteln gegeben haben, darunter viele Oppositionsbündnisse. Sie beklagten aber demokratische Rückschritte im Vergleich zu früheren Abstimmungen auch bei der Wahlgesetzgebung.

Die OSZE-Mission zeigte sich besorgt über zahlreiche Unregelmäßigkeiten. Die Experten beklagten unter anderem Fälle von Einschüchterung der Wähler, Druck auf Behörden, Gewalt gegen Beobachter, Stimmenkauf, Mehrfachabstimmungen und das Stopfen von Wahlzetteln in Urnen. Die OSZE forderte eine Untersuchung und mahnte weitere demokratische Reformen an.

Zugleich lobte Missionschef Pascal Allizard die «demokratische Vitalität» in dem Land und sicherte weitere Hilfe auf dem Weg des Landes in die EU zu. Die Abstimmung sei insgesamt gut organisiert gewesen, sagte der Franzose. Auch andere Beobachter hoben hervor, dass die Zivilgesellschaft insgesamt stark präsent gewesen sei, um die Stimmabgabe und die Auszählung zu kontrollieren.

EU wirft Georgiens Regierung antieuropäischen Kurs vor 

Die Regierung macht die bislang größte Oppositionspartei Vereinte Nationale Bewegung für den Krieg mit Russland im Jahr 2008 verantwortlich und will sie verbieten. Russland erkannte damals die abtrünnigen georgischen Gebiete Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten an. So verlor Georgien 20 Prozent seines Staatsgebiets.

Die EU wirft der Führung des Landes einen antieuropäischen Kurs vor, auch Menschenrechtler beklagten autoritäre Tendenzen. So hatte die Regierung trotz massiver Proteste Gesetze durchgesetzt, wie es sie ähnlich auch in Russland gibt - darunter eines zur Kontrolle der Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen und Medien aus dem Ausland, das angebliche Einflussnahme von außen verhindern soll. Auch die Rechte von Schwulen, Lesben und anderen sexuellen Minderheiten wurden beschnitten - zum Wohlgefallen der georgisch-orthodoxen Kirche, die in dem Land weiter großen Einfluss hat.

© dpa ⁄ Katharina Schröder und Ulf Mauder, dpa
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