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Karneval 2.0: Macht das noch Spaß?

Karneval – das stand in meiner Kindheit immer für unbeschwertes Feiern. Verkleidet als Pirat, Elefant oder Rotkäppchen durfte ich zum Düsseldorfer Rosenmontagszug gehen, dort jede Menge „Kamelle“ aufsammeln und anschließend glücklich und todmüde ins Bett sinken. In Zeiten der Digitalisierung ist leider vieles anders.
Karneval 2.0
Karneval 2.0
Karneval 2.0

Influencer und Influenza

Früher war der Karneval aufgrund der schönen Tradition des „Bützens“, also des Küssens wildfremder Menschen, eine Hochzeit für Influenza, jetzt steht er auch im Zeichen der Influencer. Wie so oft in unserer Zeit ist auch in der fünften Jahreszeit das Einfache nicht mehr gut genug. Wer zu Altweiber als Cowboy oder Indianer erscheint, wird von den Jecken nur mitleidig beäugt.

Da darf es schon ein bisschen mehr Aufwand sein und gern sucht der Karnevalist 2.0 Hilfe auf YouTube. Ganz knuffig sind ja noch die Verkleidungs-Tipps von Lisa von der „Top 5 Influencer WG“ für Spätentschlossene. Die Influencer-Kollegin LL Cupido hingegen zeigt, wie man alkoholfrei durch die tollen Tage kommt. Wer braucht so etwas?

Einmal in eine andere Haut schlüpfen

Der Karneval war einmal von der Kirche so konzipiert, dass ihre Schäfchen während eines kurzen Zeitraums ungestraft sündigen dürfen. Dafür wurde eine Symbolfigur erfunden, auf die man seine Sünden abladen konnte. In Düsseldorf ist das der Hoppeditz, in Köln der Nubbel und anderen Städten heißt diese Figur wieder anders. So hatten die Menschen ein Ventil in Zeiten, die ansonsten von extremen sozialen Ungleichheiten geprägt waren.

Dieses Prinzip wird auch in unseren Zeiten gern genutzt und dabei ist neben dem Alkohol die Verkleidung das wesentliche Element, um für einen begrenzten Zeitraum in eine andere Haut zu schlüpfen und Dinge zu tun, die Freunde und Familie nicht unbedingt wissen sollten. Die Idee kommt übrigens von den Venezianern, die die Tradition der Masken entwickelten.

Verkleidung contra Gesichtserkennung

Noch ist in Deutschland die Video-Überwachung nicht so ausgeprägt wie in anderen Ländern, aber ausgerechnet aus der Karnevalsnation Brasilien kommt ein Trend, der Sorgen macht. Im Land von „Tropen-Trump“ Jair Bolsonaro setzt die Polizei gezielt die neuesten Methoden zur Gesichtserkennung ein, um – wie es heißt – gesuchte Verbrecher in den feiernden Massen auszumachen und festzunehmen.

„Big Brother“ hat nicht nur über festinstallierte Kameras, sondern auch mit Hilfe von Drohnen alles im Blick. Die Technologie stammt übrigens aus China, wo schon kleinere Vergehen wie das Gehen über eine rote Ampel per Gesichtserkennung einer Person zugeordnet und bestraft werden. Aber in Sachen Demokratieverständnis ist Bolsonaro wohl nicht allzu weit von der Pekinger KP entfernt.

Vorsicht, Facebook!

Zwar gibt es hierzulande Video-Überwachung an neuralgischen Punkten, doch die deutschen Narren müssen sich eher von den Tücken der sozialen Medien hüten. Sie haben keine Lust auf die erwartbar langweilige Karnevals-Party eines Freundes und lassen es stattdessen lieber in irgendeiner Kneipe oder bei einem der zahlreichen Bälle krachen? Kein Problem, solange niemand ein Foto von Ihnen macht, dies via Facebook postet und Sie darauf markiert.

Nun gut, Sie werden sagen, dass Sie Ihre Mitfeierer vor dem Beginn des karnevalistischen Trubels auch warnen könnten doch bitte keine Fotos von Ihnen zu posten. Bei der Dasta-App haben Sie jedoch wenig Chancen sich gegen Eingriffe in Ihre Privatsphäre zu wehren.

James Bond wird jeck

Diese App ist nämlich in der Lage den Online-Status eines bestimmten WhatsApp-Nutzers festzuhalten und auszuwerten. Anhand eines Protokolls der eingesammelten Daten können Dasta-Nutzer das Verhalten dieser Person analysieren. Das Schlimme an der Dasta-App ist, dass es für die Nutzung der App bereits ausreicht, dass man die Telefonnummer eines WhatsApp-Nutzers kennt. Zudem ist die Benutzeroberfläche so programmiert, dass die Auswertung der Daten aus WhatsApp vereinfacht dargestellt wird.

Noch einen Schritt weiter gehen Spionage-Apps wie XN Spy, die auf dem Smartphone des Opfers installiert werden. Wenn der eifersüchtige Partner Zugriff auf das iPhone seines oder seiner Liebsten bekommt, muss er schon einen Jailbreak durchführen. Bei Android-Smartphones ist es hingegen erstaunlich leicht so eine Software zu installieren. Man muss im Einstellungsmenü den Zugriff auf Daten erlauben und schon kann das Sammeln von Informationen starten.

Am Aschermittwoch ist alles vorbei

Sollten Sie am Aschermittwoch eine solche App auf Ihrem Smartphone entdecken, ohne dass sie von deren Installation unterrichtet wurden, ist das strafbar. Dann ist nicht nur der Karneval, sondern in den meisten Fälle wohl auch die Beziehung vorbei. Ich jedoch glaube an das Gute im Menschen und hoffe, dass Sie einfach nur ein paar schöne tolle Tage hatten.

 

© Tom Meyer
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