Mehr Rechte für Geimpfte
In wohl kaum einem europäischen Land wurde und wird so erbittert über die Corona-Politik der Regierung gestritten wie in Deutschland. Im europäischen Ausland gibt es im Vergleich deutlich mehr Pragmatismus. In Nachbarländern wie der Schweiz, Österreich oder den Niederlanden lockert man die Corona-Maßnahmen. Museen, Restaurant, Hotels – alles wird geöffnet, während in Deutschland nur zählt, in welchem Kreis oder welcher kreisfreien Stadt man wohnt. Liegt die Sieben-Tage-Inzidenz konstant unter 100, sind Lockerungen möglich.
Noch haben wir Deutschen davon nichts, dass unsere Nachbarn mutiger vorangehen, denn diese möchten verständlicherweise erst einmal unter sich bleiben. Ohne große Reisebewegungen ist es schließlich leichter Corona zu bekämpfen, zumal die Inzidenzwerte im angrenzenden EU-Ausland teils deutlich höher sind. So überlegt man in den Niederlanden das Zugeständnis an die deutschen Nachbarn bis zu 30 Kilometer in die Niederlande hineinfahren zu dürfen wieder zurückzunehmen, weil allzu viele Tagestouristen aus Deutschland die Cafés und Pommesbuden von Roermond oder Venlo belagern.
Das Leben kehrt zurück
Eins haben indes alle Europäer gemeinsam: Sie haben das Corona-Virus sowas von satt! Nach Monaten der Entbehrung möchten alle wieder mal schön essen gehen, ein Bierchen trinken oder Museen besuchen. Vor allem der Wunsch nach einem entspannenden Urlaub nach den Zeiten der Pandemie treibt die Politik nun vor sich her.
Den Geimpften kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Zwar möchte zum Beispiel SPD-Chefin Saskia Esken Hotels erst dann öffnen, wenn die Geimpften eine gewisse Menge erreicht haben, aber man kann davon ausgehen, dass sie damit ziemlich bald allein dastehen dürfte. Ein Drittel der Deutschen ist nämlich schon zumindest einmal geimpft, ein Zehntel sogar zweimal – und noch einmal möchte die deutsche Tourismusbranche nicht das Nachsehen gegenüber den Kollegen auf Mallorca haben.
Chancengleichheit dank EU-Impfpass
Eine Schlüsselrolle bei den Öffnungen spielt der digitale EU-Impfpass. Schon im Juni, heißt es aus Brüssel, könnte die App in Deutschland und Ländern wie Frankreich, Italien, Niederlande, Spanien und Österreich startklar sein.
Die Bremser kommen natürlich wieder einmal aus Deutschland, denn hierzulande diskutiert man, wie man die Bescheinigung aus dem papiernen in den digitalen Impfpass übertragen könnte, ohne Betrügern Tür und Tor zu öffnen und Menschen ohne Smartphone Rechte zu verwehren. Wieder einmal hat man den Eindruck, dass die Bundesregierung schlecht vorbereitet ist. Immerhin, so Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), sollen Neu-Geimpfte mit dem Start des digitalen Impfpasses eine fälschungssichere Bestätigung direkt bei ihrem Impftermin erhalten.
Entwicklung von SAP und Telekom
Doch wie gut funktioniert der digitale Impfpass der EU eigentlich? Skepsis ist berechtigt, denn entwickelt wird das System von SAP und Deutscher Telekom, die sich schon bei der Entwicklung der Corona-Warn-App der Bundesregierung nicht mit Ruhm bekleckert haben. Doch zumindest scheint es, als ob die Entwickler dazugelernt hätten. Eine offene Bluetooth-Schnittstelle, ein ideales Einfallstor für Hacker, braucht man für den digitalen Impfpass nicht. Zudem setzt die EU ähnlich wie bei der Corona-Warn-App auf einen dezentralen Ansatz.
Folglich werden bei Vorlage der EU-Impfpass-App keine persönlichen Daten übertragen, sondern es wird lediglich die Gültigkeit des Nachweis-Zertifikats gecheckt. Das ist ein im Smartphone gespeicherter Verifizierungsschlüssel (Public Key), der die Daten enthält, die direkt bei der Impfung im Zertifikat gespeichert wurden. Das Smartphone benötigt also auch keine Internet-Verbindung – eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme gegen Hacker.
Ohne Bluetooth- und Internet-Verbindung
Weiterer Vorteil: Das Zertifikat enthält nur notwendige Basisdaten wie Name, Geburtsdatum, Datum der Zertifikatsausgabe, Datum der Impfung, Impfstoff-Typ sowie eine individuelle Kennung des Zertifikats. Statt der Impfung kann der digitale Impfpass auch die bestätigte Genesung von einer Corona-Erkrankung erfassen.
Zusätzlich ist ein QR-Code zur Verifizierung hinterlegt. Das Zertifikat wird darüber hinaus in einer speziellen Wallet-App gespeichert, die für Android und iOS verfügbar ist. Auch ein Ausdruck des digitalen Zertifikats ist möglich.
Integration in die Corona-App
Neben der offiziellen EU-App soll es separate Apps geben. Auch Drittanbieter sollen laut EU die Möglichkeit erhalten die Funktionen des digitalen Impfpasses in ihre eigenen Apps einzubauen.
Außerdem wird der digitale Impfpass, da er ja von den gleichen Entwicklern stammt, in die Corona-Warn-App der Bundesregierung integriert. Diese App ist seit dem Update auf die Version 2.1 auch zum „Einchecken“ zum Beispiel in Geschäften nutzbar. Damit „kopiert“ die Corona-Warn-App eine Funktion der privat entwickelten Luca-App. Ein weiteres neues Feature ist die Anzeige von Corona-Schnelltest-Ergebnissen.
Wer darf den digitalen Impfpass prüfen?
Ein paar Unklarheiten bestehen jedoch noch. So ist noch nicht sicher, wer neben Behörden überhaupt berechtigt ist den digitalen Impfpass eines EU-Bürgers zu überprüfen. Nach dem Willen der EU-Kommission soll die Prüf-App nicht für jedermann frei herunterladbar sein, also auch nicht für kleine Läden, die damit das Zugangsrecht ihrer Gäste prüfen könnten.
Die deutsche Bundesregierung möchte genau das Gegenteil, zumal der digitale EU-Impfpass nicht nur den Status „geimpft“, sondern auch Corona-Testergebnisse anzeigen kann. Solange nicht 70% der EU-Bürger geimpft sind, was einer Herdenimmunität entsprechen würde, bleibt für viele Reisen ein negativer Corona-Test vonnöten. Positiv ist, dass bereits 97% aller niedergelassenen Labore in Deutschland an das System angeschlossen sind.
Was passiert mit dem gedruckten Impfpass?
Den gelben gedruckten Impfpass sollten EU-Bürger weiterhin aufbewahren, denn der digitale EU-Impfpass bezieht sich erst einmal nur auf Corona. Im Jahr 2022 soll dann nach dem Willen Brüssels ein digitaler Impfpass als Teil der digitalen Patientenakte kommen, der dann sämtliche Impfungen dokumentiert.