Jeder vierte Deutsche im Alter zwischen 18 und 60 Jahren hat schon eine Anwendung wie ChatGPT ausprobiert. Mit dem Konzept dieser sogenannten Chatbots sind sogar bereits 69 Prozent der Bundesbürger vertraut. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar hervor, die im Auftrag des Karriereportals Jobteaser durchgeführt worden ist.
Dabei fällt auf: Die jüngeren Befragten kennen sich besser mit den KI-Diensten aus als die älteren. Bei der „Generation Z“, also den Befragten im Alter zwischen 18 und 27 Jahren, sagen 76 Prozent, sie seien mit der Technik vertraut. Bei der „Generation Y“ (28 bis 42 Jahre) liegt der Wert bei 74 Prozent. Bei der „Generation X“ (43 bis 60 Jahre) sind es immerhin noch 63 Prozent.
Schüler lieben ChatGPT
Die ganz junge Zielgruppe bis 18 Jahren ist bei dieser Studie zwar nicht befragt worden, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass vor allem Schüler ChatGPT lieben. In einigen Bundesländern wie z.B. Bayern überlegt man deshalb die Nutzung von ChatGPT zu untersagen. Andere Länder wie z.B. Schleswig-Holstein wollen die KI-Software nicht völlig verbieten, sondern Leitfäden für deren Nutzung an den Schulen des Landes entwickeln.
Der Deutsche Lehrerverband (DL) hält es mit der Linie der Nordlichter und spricht sich offiziell für einen offenen Umgang mit Textgeneratoren wie ChatGPT in den Schulen aus. „Es ist eine generelle Aufgabe von Schulen, junge Menschen auf die Lebenswirklichkeit vorzubereiten“, so DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger in einer Mitteilung.
In den USA sieht man ChatGPT dagegen eher kritisch. So hat die New Yorker Bildungsbehörde den Zugang zu ChatGPT in ihren Netzwerken gesperrt. Man befürchte, so eine Sprecherin, negative Auswirkungen auf den Lernprozess und habe Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und Richtigkeit von Inhalten. ChatGPGT fördere nicht die Fähigkeit zum kritischen Denken und zur Problemlösung.
Skurrile Blüten und praktische Anwendungen
Mittlerweile entwickelt der Hype um die von OpenAI entwickelte und von Microsoft mit Milliarden Dollar geführte Software ChatGPT recht bizarre Stilblüten. So predigt Thomas Hartmann, Pfarrer der evangelischen Thalkirchen-Gemeinde in Wiesbaden, seinen Schäfchen mittlerweile mit Hilfe des Chatbots. Laut Aussage des Gottesmanns kommt das gut an.
Aber auch die Wirtschaft hat ChatGPT für sich entdeckt. So entwickelt z.B. der US-Autobauer General Motors für seine Fahrzeuge einen Sprachassistenten auf Basis künstlicher Intelligenz, dessen Fähigkeiten über das Verstehen einfacher Anweisungen hinausgehen sollen. Gehe etwa eine Warnlampe an, solle man das Auto fragen können, ob man mit dem Fehler weiterfahren könne oder sofort anhalten müsse, heißt es aus Detroit. Und wenn ein Reifenwechsel nötig werde, könne das Fahrzeug dem Fahrer eine Anleitung geben.
Noch einmal eine andere Qualität hat der Einsatz von ChatGPT, wenn es um staatliche Institutionen geht. So hält die britische Ministerin für Wissenschaft und Technologie, Michelle Donelan, den Einsatz von Textrobotern in der Regierungsarbeit für möglich. Laut Donelan sollen mehrere Bereiche der öffentlichen Verwaltungen Anfragen an das Ministerium gesendet haben, um zu klären, ob KI-Tools wie ChatGPT für bestimmte Aufgaben eingesetzt werden dürfen, so z.B. bei der Formulierung von E-Mails, Briefen oder Aufgaben, die bei der Formulierung von Gesetzestexten anfallen.
Helferlein mit Defiziten
Ob es wirklich so intelligent ist Helferlein à la ChatGPT einzusetzen, sei dahingestellt. Noch strotzt die von OpenAI entwickelte Software nämlich nur so von Fehlern. Bei einem Test an österreichischen Schulen bekam ChatGPT zwar eine gute für eine einfache Textaufgabe im Englisch-Unterricht. Das liegt offensichtlich daran, dass das WWW extrem viel Content in englischer Sprache besitzt, den man für so eine Aufgabe einsetzen kann. Als es aber um einen Text des deutschsprachigen Musikers Dendemann ging, der in seinem Lied „Noch‘n Gedicht“ mit Anspielungen aus der Pflanzenwelt experimentiert, scheiterte die Software bei der Interpretation kläglich.
Einen besonders gravierenden Fauxpas leistete sich ChatGPT in einem anderen Feldversuch ausgerechnet gegenüber dem Journalisten Kevin Roose. Die KI-Software verglich den Reporter der „New York Times“ mit Hitler und versuchte seine Ehe zu zerstören. Ein Professor einer US-Universität wurde nach Nutzung der Software sogar von ChatGPT mit dem Tode bedroht. Deshalb ist Microsoft nach anfänglicher Euphorie bereits zurückgerudert und begrenzt derzeit die Nutzung der Künstlichen Intelligenz in seiner Bing-Suchmaschine.
ChatGPT stärkt Marktmacht von Microsoft
Fakt ist, dass die Software von OpenAI ein Chatbot ist, d.h. Menschen haben im Vorhinein entschieden, mit welchem Content die Anwendung gefüttert wird. Chatbots kommen schon seit vielen Jahren bei Unternehmen zum Einsatz, um z.B. einfache Kundenanfragen zur Handhabung von Produkten zu beantworten. So werden echte Mitarbeiter entlastet.
Anwendungen wie ChatGPT haben aber eine andere Qualität, weil sie wie Suchmaschinen arbeiten. Ähnlich wie Google grasen sie das WWW ab, überlassen dem Nutzer aber nicht die Auswahl geeigneten Contents, sondern bauen Textelemente direkt zusammen. Das ergibt dann mehr oder minder logische Resultate, die dank KI-Algorithmen mit der Zeit immer ausgereifter werden sollen.
Google darf sich aufgrund seiner enormen Marktmacht als Suchmaschine immer wieder Kritik von Verbraucherschützern gefallen lassen und wurde auch von der EU schon mit Milliardenstrafen sanktioniert, doch Lösungen wie ChatGPT benötigen ein Vielfaches an Rechenleistung, was wiederum viel Geld erfordert. So will allein Microsoft rund zehn Milliarden US-Dollar in den bisher für Nutzer kostenlosen Chatbot stecken. Das tut der Konzern natürlich nicht aus Nächstenliebe, sondern um seine Suchmaschine Bing und damit langfristig seine eigene Marktmacht zu stärken.
Gefahr für die Demokratie?
Allzu hohe Marktkonzentrationen sind aber immer eine Gefahr für die Demokratie. Nicht umsonst gibt es in allen freien Volkswirtschaften auch immer eine kartellrechtliche Regulierung, die hier eingreifen könnte, doch für den Qualitätsjournalismus, eine der wesentlichen Säulen der Demokratie, sind ausgereifte Chatbots wie ChatGPT schon heute eine enorme Bedrohung.
Zum einen gilt das für die Einnahmen. Gerade erst haben Verlage wie Axel Springer oder Spiegel es geschafft die Nutzer mit geschickten Paywall-Strategien dazu zu bringen für exklusiven Content zu bezahlen. Wenn Chatbots Informationen ähnlicher Relevanz kostenlos zur Verfügung stellen, fällt diese wirtschaftliche Basis weg.
Zum anderen gilt das für die Auswahl des Contents. Wenn gut recherchierte und um Objektivität bemühte Beiträge hinter Bezahlschranken verschwinden, bleibt im frei verfügbaren Teil des WWW mehr Platz für anderen Content. So haben es politische Kräfte, die extremistische Positionen vertreten und/oder Fake News verbreiten, leichter ihre Position via ChatGPT zu verbreiten.