Kampf den Corona-Partys!
Normalerweise ist vor allem Facebook ein Hort der sogenannten Hate-Speech. In der Anonymität des Internets traut sich so mancher aus der Deckung, der seine Ansichten auf dem Marktplatz niemals kundtun würde. Deshalb hat die Politik Maßnahmen gegen die Hate-Speech auf den Weg gebracht – und das ist auch gut so.
Derzeit jedoch werden die sozialen Medien meist dann benutzt, um Teilnehmer von Corona-Partys an den Pranger zu stellen oder hustende Rentner im Supermarkt zu beschimpfen. Man mag also annehmen, dass sich die sozialen Medien weiterhin asozial geben und nur die Zielgruppe eine andere ist als sonst.
Gemeinsames Singen statt Hate-Speech
Weit gefehlt! Die sozialen Medien werden ihrem Namen in der Corona-Krise endlich gerecht. In Italien, wo die Menschen am längsten in Europa zu Hause kaserniert sind, organisiert man an vielen Orten ein gemeinsames Singen. Nachbarn stehen mit Akkordeon oder Gitarre auf dem Balkon und stimmen ein Liedchen an. Die nicht ganz so gut ausgestatteten Mitsinger auf den Balkonen der Nachbarschaft stimmen einfach ein oder schwingen die Schalmei. Einfach großartig!
Die Idee aus Italien hat es nun, da die Corona-Krise auch hierzulande allgegenwärtig ist, selbst in meine unmittelbare Nachbarschaft geschafft. So singt der Düsseldorfer Künstler enkelson seine Heimat-Ballade nicht mehr im Konzertsaal, sondern auf seinem Balkon – nur mit der Kraft seiner Stimme und begleitet von leisen Klaviertönen des Synthesizers. Wer da kein Freudentränchen verdrückt und vom Hoffenster aus jubelt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.
Welle der Hilfsbereitschaft
Ebenfalls bemerkenswert ist die Welle der Hilfsbereitschaft, die zwar in erster Linie direkt zwischen Nachbarn, aber auch und gerade über die sozialen Medien organisiert wird. Jüngere Menschen erledigen für ältere Mitbürger Einkäufe im Supermarkt oder in der Apotheke, weil die Älteren – vor allem, wenn sie Vorerkrankungen wie z.B. Diabetes haben – als Risikogruppe gelten.
Für ein Land, in dem Menschen auch schon mal monatelang tot auf dem heimischen Sofa sitzen, weil sich niemand um sie kümmert, ist das sicherlich eine erstaunliche Entwicklung. Doch gerade in den Städten, wo viele ältere Menschen auf die Unterstützung ihrer Nachbarn, Pflegediensten oder Reinigungspersonal angewiesen ist, ist die Solidarität am größten.
Helden der Arbeit
In der DDR war es gang und gäbe besonders produktive Genossinnen und Genossen als „Helden der Arbeit“ auszuzeichnen. Nun ist der Kommunismus in Deutschland schon 30 Jahre passé, doch mit der Krise ist die gesellschaftliche Anerkennung für besonders belastete Berufe auf einmal wieder schwer in Mode.
In den USA waren es 2001 die Feuerwehrleute, die aufgrund ihres aufopferungsvollen Einsatzes in den Zwillingstürmen des New Yorker World Trade Centers auf einmal hohes Ansehen genossen. Anno 2020 sind es die Ärzte, Pfleger, Rettungssanitäter, aber auch die Polizisten und Supermarkt-Mitarbeiter, die in den sozialen Medien für ihren Einsatz gefeiert werden – und das ist nicht minder verdient.
Hoffen auf eine menschlichere Zukunft
Die Corona-Pandemie raubt uns geliebte Menschen, sie schränkt uns in unserem Alltag ein und der eine oder andere muss gar Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld beantragen. Die laut Kanzlerin Angela Merkel „größte Herausforderung nach dem Zweiten Weltkrieg“ bringt aber auch viel Positives im Menschen zum Vorschein. Wollen wir hoffen, dass das wir davon etwas in die Zeit nach der Corona-Krise hinüberretten können.