Früher, im analogen Zeitalter, war die Bundesliga eine einfache Sache: Samstags ab 15.30 Uhr gab es Ball, Bier und Bratwurst im Stadion. Man saß auf angeranzten Plastikschalen oder sank im Stehplatzbereich bei Regen ohne Dach über dem Kopf langsam, aber sicher in den matschigen Lehmboden ein. Dann sah man sich die Zusammenfassung der Spiele ab 18 Uhr in der „Sportschau“ oder am späten Abend im „Aktuellen Sportstudio“ an. So manch ein Club verkaufte nur das Vereinswappen als Aufnäher und, wenn es hochkam, Wimpel mit dem begehrten Logo. Selbst Trikotverkäufe an die Anhänger gab es lange Zeit überhaupt nicht.
Rettung dank Online-Marketing
So ein bisschen kann man den Charme dieser guten, alten Zeit noch atmen, wenn man sich bei Amateurvereinen wie Altona 93, Hamborn 07 oder BSG Chemie Leipzig herumtreibt – doch selbst in den Niederungen des deutschen Fußballs hat jeder Club zumindest eine eigene Website, um die Fans mit Infos und einem Online-Shop zu beglücken. Da kann man dann Trikots oder Pins kaufen und tut auf jeden Fall etwas Gutes, denn ansonsten sind die kleinen Vereine ja finanziell nicht auf Rosen gebettet.
Finanzielle Sorgen kennt man mitunter auch in der 1. und 2. Bundesliga, doch die Fan-Base ist natürlich deutlich größer. Es gibt aber auch Club wie Fortuna Düsseldorf, die zwischenzeitlich in der 4. Liga verschwunden waren und die nur dank gelungenen Online-Marketings überhaupt die Insolvenz verhindern konnten. Vor 20 Jahren profitierte die Fortuna von den Profis der Toten Hosen, die dem finanziell angeschlagenen Verein als Trikotsponsor aushalfen. So kam zum einen direkt Geld in die Kasse und zum anderen brummte der frisch aufgesetzte Online-Shop, denn die vielen Fans der Punk-Band wollten unbedingt das damalige Fortuna-Trikot mit dem lachenden Totenkopf und dem F95-Emblem auf der Brust erwerben.
Die App für den Fan
Seitdem ist man sich in Düsseldorf bewusst, dass Online-Marketing wichtig ist, und die Fortuna ist ein Paradebeispiel für den Ausdehnung digitaler Dienstleistungen am Fan. So hat man sich frühzeitig entschieden eine eigene App zu entwickeln. Anfangs war das nicht viel mehr als die mobile Version des Vereins-Homepage inklusive Shop, doch inzwischen sind viele weitere Funktionen hinzugekommen.
So müssen die rund 26.000 Mitglieder ihre Plastik-Mitgliedskarte nicht mehr mit sich herumschleppen. Die kann man zwar auch noch nutzen, doch im Prinzip ist sie in der App des Vereins hinterlegt – ein nicht zu unterschätzender Vorteil, bekommt man doch als Fortuna-Mitglied zehn Prozent auf Trikots und Devotionalien wie Badeenten, Tassen oder Fahnen und kann auch mal spontan zuschlagen. Darüber hinaus setzt der eingetragene Verein konsequent auf die digitale Dauer- oder Tageskarte, die als QR-Code in der App hinterlegt wird. Ein zweiter Code berechtigt zur Anreise mit dem ÖPNV an Spieltagen.
Rund-um-Betreuung per Social Media
Eine weitere wichtige Säule der Online-Strategie der Profi-Clubs in Deutschland sind die sozialen Medien. So haben sämtliche Vereine eine eigene Präsenz bei Facebook und Twitter. Hier werden neue Spieler vorgestellt oder Umfragen unter den Fans gestartet. Mitunter können diese hier oder über die Vereins-App Einfluss auf die Gestaltung von Trikots und Stadien nehmen. Natürlich tauschen sich die Fans in den Kommentarspalten mehr oder weniger galant über Vereins-Posts aus – dass man einen Social-Media-Account auch moderieren muss, müssen viele Fußballvereine noch lernen.
Last but not least setzen die Bundesliga-Clubs auf eigene Streaming-Angebote. So kann man Pressekonferenzen, aber auch viele Testspiele live auf YouTube verfolgen. Parallel dazu gibt es einen klassischen Ticker oder Zusammenfassungen der Pressekonferenzen. Schier alles erdenklich Mögliche wird also unternommen, um mehr Fan-Nähe zu erzeugen.
Zauberformel NFT
Der letzte Schrei im Fußball-Business heißt aber NFT. Das steht für „non fungible token“ und sorgt bis dato schon auf dem Kunstmarkt für Furore. Wie der Name schon verrät, handelt es sich bei NFTs um technische Einheiten, die einen einzigartigen Vermögenswert aufweisen. NFTs sind also das Gegenstück zu Krypto-Währungen wie Bitcoin, die sich beliebig tauschen lassen und deshalb als „fungible token“ bezeichnet werden. Ein Bitcoin kann gegen einen anderen Bitcoin getauscht werden, weil der Wert derselbe ist – genau wie ein Euro auch immer einem Euro entspricht.
Bei einem NFT ist der Wert hingegen individuell festlegbar und so ist jeder NFT einzigartig und kann via Zertifikat verkauft oder getauscht werden. Gespeichert wird der NFT in einer Blockchain, einer Liste von Datensätzen. Wie ein NFT konkret als digitales Objekt realisiert wird, ist dem Ersteller überlassen. Auf NFT-Marktplätzen wie der OpenSea-Plattform werden Kunstobjekte, Spielkarten, Musik, Domain-Namen und virtuelle Grundstücke gehandelt.
Vorbild Kunstmarkt
Gerade für Künstler aus dem digitalen Bereich können NFTs eine Art Echtheitszertifikat sein, weil sie als fälschungssicher gelten: Während es zwar beliebig viele identische Kopien des Kunstwerks geben kann, gilt die NFT-Variante als das Original. Selbst bei angesehenen Auktionshäusern wie Sotheby’s hat man den Trend erkannt und setzte allein im April 2022 rund 16 Millionen Euro mit NFTs um.
Private Anleger können mit NFTs Geld verdienen, aber auch verlieren. NFTs sind nämlich Spekulationsobjekte, die mit Risiken verbunden sind. Schließlich weiß niemand, ob der Wert eines bestimmten NFT tatsächlich steigen wird. Andererseits kann jedermann selbst NFTs erstellen und das geht sogar relativ einfach: Bei OpenSea lässt sich z.B. über den „Create“-Button eine Datei hochladen, die dann in ein NFT umgewandelt wird. Ob das Objekt dann aber auch gekauft wird, ist eine andere Frage.
Panini-Bilder 2.0
Was hat das nun mit dem Fußball zu tun? Nun ja, schon seit Urzeiten ist der Profi-Fußball auch Spielwiese für Sammler. Wer hat als fußballbekopptes Kind nicht schon selbst Bildchen seiner Rasenhelden gesammelt und in Alben geklebt? Die italienische Firma Panini hat mit dieser Sammelleidenschaft Milliarden verdient. Nun werden die analogen Bildchen durch digitale NFTs ergänzt – zumindest, wenn es nach der DFL geht.
Die Dachorganisation der Profi-Clubs in Liga 1 und 2 hat nämlich schon zur abgelaufenen Saison 2021/22 einen ersten Testballon gestartet. Die „Bundesliga NFT Card Collection“ von Topps zeigte jeden Monat die besten Momente der Saison 2021/22 auf digitalen Sammelkarten im NFT-Format – darunter auch als Video-Karten mit Original-Kommentar. Somit hatten Fans erstmals die Möglichkeit, die besten Szenen auf ToppsNFTs.com in Form von digitalen Sammelkarten noch einmal zu erleben und zu sammeln. Technisch ermöglicht wurde das durch die Avalanche-Blockchain-Plattform.
Ausschreibung für zwei Spielzeiten
Der erste NFT-Versuch verlief wohl so erfolgreich, dass man ihn in dieser Saison fortsetzen möchte. Mehr noch: Für die Bundesliga-Saisons 2023/24 und 2024/25 schrieb die DFL unter Federführung der Tochtergesellschaft Bundesliga International sogar eigens NFT-Rechte aus. Damit ist klar, dass die deutschen Profi-Clubs weniger die Fans im eigenen Lande, als vielmehr Sammler aus aller Welt ansprechen möchten.
Das Ergebnis: Der bisherigen Partner Topps, aber auch die Unternehmen Sorare und OneFootball erhalten den Zuschlag. OneFootball erwirbt die Lizenzrechte für eine digitale Trading Card Collection. Zum Paket gehören zudem exklusive Rechte für sogenannte „NFT Moments“ (NFT-basierte Videos aus der 1. und 2. Bundesliga). Sorare bekommt die exklusiven Rechte für den Einsatz von NFTs in Form von digitalen Spielerabbildungen in einem Fantasy-Football-Spiel. Topps erhält die Rechte für Sticker, Trading Card Games und Trading Card Collections in physischer und digitaler Form und als NFTs. Die Rechte für physische Produkte wurden Topps hierbei von der DFL exklusiv eingeräumt.
Geldsegen für die DFL
Die Gesamteinnahmen der DFL aus dieser Lizenzvergabe belaufen sich auf rund 170 Millionen Euro – das ist eine Steigerung um rund 280 Prozent gegenüber der letzten Runde. Wie gehabt wird das zusätzliche Geld nach einem festgelegten Schlüssel unter den Clubs der 1. und 2. Bundesliga aufgeteilt. Dieser Schlüssel wird auf Basis der Platzierungen des jeweiligen Vereins in den vergangenen fünf Saisons errechnet, wobei die letzte Saison fünffach gewichtet wird. Die davor liegenden Spielzeiten zählen vierfach, dreifach, zweifach und einfach.
Ich muss allerdings zugeben, dass es mich überhaupt gar nicht reizt einen Rouwen Hennings, Joshua Kimmich oder Mats Hummels im NFT-Format erleben zu müssen. Da ist mir der reale Fußball im Stadion doch lieber und die gute, alte Plastik-Dauerkarte zeigt auch Jahrzehnte später, dass ich da war, als es um die Wurst ging. In diesem Sinne wünsche ich allen Fußball-Fans eine schöne Bundesliga-Saison 2022/23!