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Hinterbliebene wehren sich gegen Ende der Ermittlungen

Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen der tödlichen Flutkatastrophe im Ahrtal eingestellt. Das ist aber noch nicht das letzte Wort. Hinterbliebene wehren sich juristisch dagegen.
Ergebnis der Ermittlungen zur Flutkatastrophe im Ahrtal
Ralph Orth, Vater eines Opfers, spricht zu den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft. © Thomas Frey/dpa/Archivbild

Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen zur tödlichen Flutkatastrophe im Ahrtal eingestellt, doch die Hinterbliebenen wollen das nicht akzeptieren. In zwei Fällen habe er Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt, sagte der Anwalt einiger Hinterbliebener, Christian Hecken. Er vertritt unter anderem die Familie Orth, deren Tochter Johanna bei der Flut starb, und Werner Minwegen, der beide Eltern verlor. Die Beschwerde für diese beiden Fällen sei am Montag eingelegt worden, hieß es.

Was geschah bisher?

Die Staatsanwaltschaft Koblenz hatte am Donnerstag verkündet, die Ermittlungen zur Flutkatastrophe 2021 einzustellen. Zuvor hatte sie rund zweieinhalb Jahre gegen den Ex-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und einen Mitarbeiter des Krisenstabs unter anderem wegen der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen ermittelt.

Die Behörde kam nach umfangreichen Ermittlungen unter anderem zu dem Schluss, dass es sich um eine außergewöhnliche Naturkatastrophe gehandelt habe, deren extremes Ausmaß für die Verantwortlichen des Landkreises Ahrweiler nicht konkret vorhersehbar gewesen sei. Es gebe keinen hinreichenden Tatverdacht gegen die beiden. Bei der Flutkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli waren im Ahrtal 135 Menschen ums Leben gekommen und 766 verletzt worden, einer gilt noch als vermisst. Tausende Häuser wurden zerstört, Straßen und Brücken weggespült.

Wie geht es nun weiter?

Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz entscheidet nun über die Beschwerde der Hinterbliebenen. Das Verfahren sei damit noch offen, betonte Justizminister Herbert Mertin (FDP). Der Professor für Strafrecht an der Universität Düsseldorf, Till Zimmermann, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag, eine solche Beschwerde könne an zwei Punkten ansetzen. «Man kann zum einen sagen, die Fakten sind nicht richtig bewertet worden oder die Fakten sind nicht richtig gesammelt worden.» Das sei etwa der Fall, wenn ein Zeuge übersehen oder ein Gutachter ignoriert worden sei. «Und eine andere Möglichkeit wäre, dass man sagt, die rechtliche Würdigung ist falsch. Dass man sagt, ihr habt das vielleicht richtig ermittelt, aber ihr habt die falschen rechtlichen Schlüsse daraus gezogen», sagte der Strafrechtsprofessor.

Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz bestätigte den Eingang der Beschwerde. Üblicherweise lege die Behörde in einem solchen Verfahren der Staatsanwaltschaft die Beschwerde vor und bitte diese um einen Bericht, teilte Oberstaatsanwalt Carsten Krick mit. Die Staatsanwaltschaft entscheide dann, ob sie die Ermittlungen wieder aufnehme, Anklage erhebe oder die Beschwerde ablehne und der Generalstaatsanwaltschaft die Akten zur Entscheidung vorlegt.

«Die Generalstaatsanwaltschaft nimmt sodann anhand der Akten eine eigene Prüfung vor, in der die Ermittlungsergebnisse unabhängig von der Bewertung durch die Staatsanwaltschaft einer eigenständigen Beurteilung unterzogen werden», hieß es weiter. Lehnt die Generalstaatsanwaltschaft die Beschwerde ab, bleibt den Hinterbliebenen noch eine Möglichkeit. Sie können mit einem sogenannten Klageerzwingungsverfahren vor das Oberlandesgericht Koblenz ziehen.

Wie lange die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft dauern werde, wisse er nicht, sagte Minister Mertin. «Aber sie fängt ja nicht bei null an.»

Wie sind die Erfolgsaussichten der Beschwerde?

«Man kann es sicherlich auch anders sehen, als die Staatsanwaltschaft in Koblenz», sagte Strafrechtsprofessor Zimmermann zum Ermittlungsergebnis. Daher sei es auch nicht ausgeschlossen, dass es bei einer Beschwerde zu einem anderen Ergebnis komme. «Aber es ist schon relativ gründlich ermittelt worden.» Generell hätten sogenannte Klageerzwingungsverfahren nur minimale Erfolgsaussichten, sagte er. «Erfolge sind verdammt selten.»

Die Straftaten, um die es in diesem Fall gehe, verjähren nach zehn Jahren, erklärte Zimmermann. Um das zu verhindern, müsse es innerhalb der zehn Jahre zumindest ein Urteil geben. «Wenn das nicht passiert, dann muss man sofort einstellen, egal, wie überzeugt man jetzt von der Schuld ist oder nicht.»

Was sagen die Betroffenen?

Schon am Donnerstag war das Unverständnis bei den Menschen im Ahrtal und den Hinterbliebenen groß. Ralph Orth, dessen Tochter bei der Flut gestorben ist, hatte nach der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft gesagt: «Bis zuletzt haben wir gehofft, dass hier noch jemand für Recht und Ordnung sorgt. Das ist offensichtlich nicht geschehen.»

Die von Anwalt Hecken vertretenen Hinterbliebenen sehen auch Justizminister Mertin in der Verantwortung. «Der Minister ist an der Stelle außen vor», betonte dieser in einer von ihm einberufenen Sondersitzung des Landtags-Rechtsausschusses am Dienstag in Mainz. Das rechtsstaatliche Verfahren sei darauf gerichtet, politische Einflussnahme außen vorzuhalten. Und darüber habe er qua Amt zu wachen.

Wie ist die Haltung von Justizminister Mertin?

Der FDP-Politiker zeigte im Ausschuss Verständnis für die Enttäuschung der Hinterbliebenen, verwies aber auf das Rechtssystem und betonte, das Verfahren sei aufgrund der Beschwerde ja auch noch nicht zu Ende.

Angesichts der zahlreichen Fehler, die die beiden Beschuldigten in der Flutkatastrophe gemacht hätten, könne er «sehr gut nachvollziehen, dass die Menschen strafrechtliche Reaktionen erwarten», sagte Mertin. Die Staatsanwaltschaft müsse sich aber davon frei machen und prüfen, «reicht es, um eine strafrechtliche Verurteilung zu erreichen».

Der Ex-Landrat habe sich seiner Verantwortung in der Flutnacht faktisch entzogen, das Einsatzführungssystem sei mangelhaft, das Warnverhalten der Technischen Einsatzleitung in Teilen unzureichend gewesen und die Sorgfaltspflicht verletzt worden: Minutenlang las Mertin von der Staatsanwaltschaft festgestellte Defizite von Pföhler und seinem Mitarbeiter vor. Und betonte mit Blick auf eine Anklage «Die Fehler allein reichen nicht.»

Nach ständiger Rechtsprechung gehe es bei solchen «Unterlassungsdelikten» nicht nur um gemachte Fehler. Entscheidend für eine Anklageerhebung sei demnach vielmehr auch die Frage, ob es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu dem Unglück gekommen wäre, wenn keine Fehler gemacht worden wären. Dies sei der von der Rechtsprechung geforderte «Knackpunkt». Davon sei aber nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft - gestützt auf vor allem ein Gutachten - bei der Flutkatastrophe nicht sicher auszugehen.

«Eine abschließende Bewertung steht mir nicht zu», betonte Mertin. Er gebe die Argumentation der Staatsanwaltschaft im Ausschuss nur wieder.

© dpa ⁄ Mona Wenisch und Ira Schaible, dpa
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