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«Geschmeckt, dass es Benzin ist»: Berichte von Explosion

Die überlebenden Opfer der Explosion in einem Ratinger Hochhaus haben am Freitag ihrem mutmaßlichen Peiniger gegenüber gestanden. Sie sprechen nicht nur von ihrer Todesangst.
Prozess um Explosion in Ratingen
Der Angeklagte (l) sitzt im Gerichtssaal neben seinem Anwalt Frank Schubert auf der Anklagebank. © Oliver Berg/dpa Pool/dpa

Im Prozess um die mörderische Explosion in einem Ratinger Hochhaus haben mehrere Überlebende von ihrer Todesangst gesprochen und ausgesagt, nicht mit einem Angriff gerechnet zu haben. Die Einsatzkräfte waren wegen einer vermeintlich hilflosen Person zu einer Wohnung im zehnten Stock gerufen worden.

Als die Scheibe zur Wohnungstür eingeschlagen worden sei, sei ihnen massiver Verwesungsgeruch entgegengeströmt, sagte ein 32 Jahre alter Notfallsanitäter am Freitag dem Düsseldorfer Landgericht. Daraufhin habe sich die Situation etwas entspannt, weil bei so einem Geruch erfahrungsgemäß keine akute Notsituation mehr vorliege. Zuvor habe auf Klingeln, Klopfen und Rufen niemand reagiert.

Doch dann hätten sich die Ereignisse überschlagen: Zwei Polizisten seien in die Wohnung hineingestiegen und plötzlich seien Schreie ertönt und Stimmen zu hören gewesen. Eine Polizistin sei klitschnass im Gesicht und tropfend zurückgekommen. «Dann gab es einen Knall und das Feuer kam aus dem Türloch geschossen», sagte der Sanitäter.

«Meine FFP2-Maske ist verbrannt. Wir sind panisch durch das Treppenhaus geflüchtet. Ich wollte mit meinem Handy Verstärkung anfordern, aber das Display hat meine verbrannte Haut nicht mehr erkannt.»

Er habe eine Prioritätenliste in seinem Kopf angelegt. «Punkt Vier: Nicht sterben.» Er habe Zugänge für Schmerzmittel bekommen, dann ende seine Erinnerung. «Als ich im Krankenhaus wieder zu mir kam, dachte ich, es seien ein paar Stunden vergangen. Dann sagte mir jemand, dass ich 19 Tage im Koma gelegen habe. Das war ein sehr gruseliger Moment für mich.» Er habe Alpträume und sei nach wie vor arbeitsunfähig. «Wann und ob ich wieder arbeiten kann, ist unklar.»

Eine 21-jährige Notfallsanitäterin sagte, sie habe die junge Polizistin hüftaufwärts brennen sehen. Alle seien zehn Stockwerke durch das Treppenhaus auf die Straße gerannt. «Ich dachte, das war ein Unfall. Mit meiner Jacke habe ich dann versucht, sie unten auf der Straße zu löschen.»

Die am schwersten verletzte Polizistin (25) kam am Freitag ebenfalls auf einen Stock gestützt in den Gerichtssaal. Sie lag zwei Monate im Koma und drei weitere stationär im Krankenhaus, musste elf Operationen über sich ergehen lassen und hat noch mehrere Eingriffe vor sich. Sie habe hinter einer Barrikade aus Wasserkästen eine Gestalt mit längeren weißen Haaren gesehen. «Dann habe ich etwas Nasses in meinen Mund bekommen. Ich habe geschmeckt, dass es Benzin ist.»

Ein 36 Jahre alter Notarzt sagte, «dass da jemand ist, der uns angreift, daran haben wir nie gedacht». Nach der Explosion habe er sofort Verstärkung angefordert: «Wir sind in einen Hinterhalt geraten. Schickt alles, was ihr habt.» Mit zwei Wasserflaschen, die ihm Anwohner gereicht hätten, habe er Kopf, Hals und Schutzweste der brennenden Polizistin löschen können. Er habe ihr damals keine Überlebenschance eingeräumt.

Er selbst habe sich dann mehrfach übergeben müssen. Bei der Landung des Rettungshubschraubers in Köln sei er wieder zu sich gekommen. Er habe die Klinik erkannt. «Da arbeitet meine Frau. Wenn ich jetzt sterbe, ist sie wenigstens da, habe ich gedacht.»

Er habe befürchtet, nie wieder als Chirurg arbeiten zu können. Als er seine Finger wieder ein wenig bewegen konnte, habe er geweint. Das Spannungsgefühl in seinen Händen sei manchmal unerträglich.

Ein 38-jähriger Feuerwehrmann sagte, er habe noch das Benzin platschen gehört und sich intuitiv weggedreht. Nach der Explosion sei er in Todesangst geflüchtet. «Dabei habe ich sogar meinen 110 Kilo schweren Einsatzführer über den Haufen gerannt.» Seine komplette Schutzmontur sei verbrannt und er sei an der Einsatzstelle halbnackt durch die Gegend gelaufen.

Der Einsatzleiter der Feuerwehr sagte: «Alle sind gerannt. Die Polizistin lief vor mir und brannte. Ich kam nicht an sie ran, weil meine Hose gebrannt hat und an den Beinen klebte. Alle sahen schlimm aus.»

Er habe bis heute kein Gefühl im Gesicht und auf dem Kopf. Er leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Zur Feuerwache, die vor der Tat seine zweite Familie gewesen sei, habe er keinen Kontakt. «Da gibt es zu viele Störfaktoren. Ich sehe dann immer meine brennende Uniform.»

Vor Gericht steht ein 57 Jahre alter Ratinger wegen neunfachen versuchten Mordes. Der Deutsche soll zu Verschwörungstheorien neigen und am 11. Mai dieses Jahres mehrere Liter Benzin auf Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungsdienstmitarbeiter geschüttet und angezündet haben. Das Gas-Luft-Gemisch explodierte und ein Feuerball verletzte die Einsatzkräfte. Er schweigt zu den Vorwürfen. Bodycams der Polizei hatten das Geschehen aufgezeichnet.

Zwei Polizisten, vier Feuerwehrleute, zwei Rettungssanitäter und ein Notarzt wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Acht der neun Opfer würden absehbar bleibende Schäden zurückbehalten, hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Das Gericht hat bis zum 11. Januar kommenden Jahres neun Verhandlungstage für den Strafprozess angesetzt.

© dpa ⁄ Frank Christiansen, dpa
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