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Philologenchef: «Lehrkräfte ergreifen die Flucht»

Der Berufsverband der Gymnasiallehrerinnen und -lehrer sieht das System Schule zunehmend unter Druck. Wichtig seien der Abbau von Bürokratie und eine bessere Gesundheitsbildung.
Schulunterricht
Eine Lehrerin schreibt eine Mathematikaufgabe auf eine digitale Schultafel im Klassenraum. © Julian Stratenschulte/dpa

Weniger Personal, mehr Aufgaben, mehr Stress: Sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für Lehrkräfte ist die Situation an Niedersachsens Schulen angespannter geworden. Die Krisen von Corona bis Krieg spiegelten sich im Schulalltag wider, sagte Christoph Rabbow, Vorsitzender des Philologenverbands Niedersachsen, der Deutschen Presse-Agentur. Notwendig seien eine Entlastung der Pädagogen von Bürokratie, mehr Gesundheitsbildung für Schülerinnen und Schüler sowie größere Anstrengungen zur Gewinnung angehender Lehrerinnen und Lehrer.

«Wir sind jetzt schon in einer Mangelsituation bei den Lehrkräften», sagte der Philologenchef, der Mathematik und Chemie an einem Gymnasium in Stade unterrichtet. «Das System ist in den vergangenen 30 Jahren zunehmend unter Druck geraten, daran ist jetzt nicht Ministerin Hamburg Schuld.»

Ein Sprecher des Kultusministeriums sagte, dass schon viele Dinge zur Lehrkräftegewinnung angestoßen worden seien, etwa über Quereinstiege und die schnellere Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen. Zudem verwies er auf ein Modellprojekt mit Verwaltungsassistenten, die Lehrkräfte von bürokratischen Aufgaben entlasteten. Gesundheitlich belastete Schulbeschäftigte könnten sich an die Care-Beratungsstellen wenden.

Bei den Lehrkräften gibt es dem Philologenverbandschef zufolge unter anderem wegen des hohen Arbeitspensums einen hohen Krankenstand. Dabei ist die sogenannte Unterrichtsversorgung ohnehin schon schlecht, bei diesem Wert sind erkrankte Lehrkräfte gar nicht einberechnet.

Die sogenannte Unterrichtsversorgung in Niedersachsen lag Anfang September 2022 bei 96,3 Prozent - dies war der niedrigste Wert seit Beginn der Erfassung vor 20 Jahren.

Den aktuellen Wert habe das Kultusministerium immer noch nicht mitgeteilt, kritisierte Rabbow. Dies habe technische Gründe, sagte der Ministeriumssprecher. Der Wert werde spätestens vor dem Start des neuen Schuljahres im Februar 2024 vorliegen.

Angesichts der Vielzahl zusätzlicher Aufgaben starteten viele junge Lehrer bereits mit reduzierter Stundenzahl, berichtete Rabbow. Unter anderem Mathematiker, Informatiker oder Naturwissenschaftler suchten sich alternative Jobs in der Wirtschaft. «Lehrkräfte ergreifen die Flucht. Das beobachten wir zunehmend.» Er bildet als Fachleiter Chemie am Studienseminar Stade auch angehende Lehrerinnen und Lehrer aus.

Wegen des Lehrkräftemangels werde an Haupt-, Real- und Oberschulen meist nur noch das Fach Naturwissenschaften (NaWi) statt Biologie, Chemie und Physik unterrichtet, sagte der Verbandschef. Dies habe Folgen für die Unternehmen in Niedersachsen, zum Beispiel dass Betriebe aus der chemischen Industrie weniger Nachwuchs finden, weil das Interesse speziell für Chemie nicht in der Schule geweckt werde.

Rabbow teilt die Einschätzung des Landesschülerrats, dass viele Kinder und Jugendliche extrem gestresst seien. Wie Daten der Krankenkassen belegen, ist die Zahl der Jugendlichen mit Depressionen, Angst- und Essstörungen gestiegen - vor allem unter Mädchen. «Wir hatten die Schulen zu lange geschlossen. Die Nachwirkungen sind bis heute nicht aufgeholt», sagte Rabbow.

Für die psychische Gesundheit sollten für alle niedersächsischen Schulen sogenannte Mental Health Coaches ausgebildet werden, schlägt der Philologenchef vor. Ein entsprechendes Bundesprogramm gibt es in Niedersachsen an acht und in Bremen an zwei Standorten. Das Projekt wurde von der Ampel-Regierung als Teil eines Maßnahmenpakets beschlossen, das die Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche abfedern soll.

Neben der Betreuung kranker Schülerinnen und Schüler bedeuten die Geflüchteten dem Lehrerverband zufolge eine große Herausforderung. Laut Kultusministerium waren dem Land Mitte September allein rund 17 500 ukrainische Schülerinnen und Schüler gemeldet.

Für die geflüchteten Kinder und Jugendlichen gebe es kein zusätzliches Personal, bemängelte der Verbandschef. Oft müssten für die ukrainischen Schüler Berichtszeugnisse geschrieben werden. Lehrkräfte aus Niedersachsen stimmten sich mit Lehrkräften in der Ukraine ab, denn einige Geflüchtete versuchen per Online-Unterricht parallel den Abschluss in ihrer Heimat zu machen. Auch Arbeiten würden auf Englisch gestellt. «Wir machen das gern, aber es ist zusätzlicher Aufwand», sagte Rabbow.

Der Philologenverband Niedersachsen ist eine Berufsvertretung der Gymnasiallehrer sowie Studienreferendare und hat mehr als 8000 Mitglieder. Beim Philologentag an diesem Mittwoch in Goslar sollte auch Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) eine Rede halten. Das Motto der Verbandstagung in diesem Jahr lautet: «Mit Entlastung und Wertschätzung gesunde Schule gestalten».

© dpa
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