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Nach Skandal-ESC von Malmö: Grand Prix vor Scherbenhaufen

An diesem ESC-Abend ist nicht nur der Pokal kaputtgegangen. Die Veranstalter müssen sich Fragen gefallen lassen: Die schlimmsten Anfeindungen gegen Israel kamen aus der Herzkammer des Songwettbewerbs.
Kaputte ESC-Trophäe
Sieger Nemo jubelt mit der zerbrochenen Trophäe - umgeben von Konfetti. Doch beim ESC ist lange nicht mehr alles Gold was glänzt. © Jens Büttner/dpa

Es gibt diese Szene, die symbolisch für den ganzen Eurovision Song Contest (ESC) 2024 steht: Am frühen Sonntagmorgen liegt plötzlich der gläserne ESC-Pokal in Trümmern. Mitten auf der Bühne von Malmö in Schweden. Nemo hat erst vor wenigen Augenblicken den Sieg beim größten Songwettbewerb der Welt eingefahren, als das Missgeschick passiert.

Vom Pokal bleibt der abgebrochene Stumpf am Boden stehen. Die Trophäe wird binnen Sekunden ersetzt. Doch was das TV-Publikum in den Stunden davor erlebt hat, hat aus dem ganzen Musikspektakel einen Scherbenhaufen gemacht. «Die Trophäe kann repariert werden - vielleicht braucht der ESC auch ein kleines bisschen Instandsetzung», sagt der Schweizer Act später vieldeutig.

Israels Künstlerin Eden Golan ist in diesem Finale lange tapfer geblieben - doch nach ihrem Auftritt bricht sie in Tränen aus. Sie sieht sich immer wieder unsäglichen Anfeindungen ausgesetzt. Das Schlimmste daran: Sie kommen nicht wie erwartet vor allem aus dem Netz oder beschränken sich gar auf Demos draußen vor der Tür. Die lautesten Hass-Schreie, Pfiffe und Buhrufe erklingen aus dem Publikum der Halle. Menschen drehen Golan bei deren Auftritt demonstrativ den Rücken zu. Sie fokussiert sich auf die Jubelrufe, die stets überwiegen. «Es gibt so viele Menschen, die mich unterstützen.» Doch was bitter auffällt: Auch ESC-Künstler fallen Eden Golan in den Rücken. Das ist neu, unerwartet.

Acts provozieren auf Pressekonferenz

«Ich muss sagen, dass diese ganze Erfahrung wirklich intensiv und nicht nur angenehm war. Es gab eine Menge Dinge, die zeigten, dass es nicht nur um Liebe und Einheit geht, und das hat mich wirklich traurig gemacht», sagt Nemo zu den Spannungen dieses Jahrgangs, die mit dem Gaza-Krieg und den vielen tausend Toten zusammenhängen. 

Dass die Welt auch beim ESC nicht mehr nur aus Regenbögen und Einhörnern besteht, ist schon Tage zuvor beim gemeinsamen Auftritt aller Künstlerinnen und Künstler vor der Presse deutlich geworden. Die Zulassung Israels ist das Hauptthema aller Fragen an Eden Golan. Ihren Rücken gestärkt bekommt sie aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen: nicht. 

Ein Journalist fragt die 20-Jährige, ob sie sich Gedanken mache, die anderen Acts mit ihrer Anwesenheit in Gefahr zu bringen. Als Golan zunächst nicht antworten will, bekommt sie aus ihrem Kollegenkreis am Podium Druck. «Warum nicht?», fragt der Niederländer Joost Klein, der zuvor sein Gesicht demonstrativ unter einer Flagge vergraben hat. Golan entgegnet: «Ich denke, wir sind alle für einen und nur einen einzigen Grund hier. Und die EBU hat alle Maßnahmen ergriffen, um dies einen sicheren und verbindenden Platz für alle zu machen.»

Seitenhiebe auch von der griechischen Künstlerin. Auffälliges Gähnen, Schnarchgeräusche, rollende Augen. Schließlich legt die Musikerin den Kopf auf den Tisch, während ihre israelische Kollegin das Wort hat. Es bleibt nicht bei solchen unhöflichen Gesten. Der irische Act Bambie Thug sagt in einem Interview auf die Frage, ob Israels Teilnahme den ESC belaste: «Es überschattet alles und widerspricht allem, was die Eurovision sein soll.»

Veranstalterin EBU scheint Kontrolle zu verlieren

Noch vor Beginn des zweiten Halbfinales, bei dem Israel seinen ESC-Auftritt hat, beziehen die Veranstalter - die Europäische Rundfunkunion (EBU) - Stellung zu dem Druck aus der Öffentlichkeit. Man sei sich «der tiefen Gefühle und der starken Meinungen bewusst, die der diesjährige Eurovision Song Contest - vor dem Hintergrund eines schrecklichen Krieges im Nahen Osten - hervorgerufen hat». Meinungen seien legitim und verständlich. Die Entscheidung, Israel mit aufzunehmen, sei jedoch im Ermessen der EBU. «Diese Künstler kommen zur Eurovision, um ihre Musik, ihre Kultur und die universelle Botschaft der Einheit durch die Sprache der Musik zu vermitteln.» 

Doch das verfängt nicht. Und als ob diese Baustelle nicht reichen würde, kommt in quasi letzter Minute noch eine dazu. Joost Klein («Europapa») wird disqualifiziert. Er soll eine bedrohliche Geste gegenüber einer Kamerafrau gezeigt haben, die ihn filmte, obwohl er das nicht wollte. Am Final-Abend rächen sich die Holländer und andere Klein-Fans mit Buhrufen und Grölen gegen den vornehm gekleideten ESC-Chef Martin Österdahl, der in normalen Jahren völlig unbehelligt und froh hoch über dem Publikum die Punktevergabe einleitet - das Herzstück des ESC. Seine Stimme bleibt kaum zu hören, so laut schallt es aus dem Saal. Dazu gesellen sich die Gegner Israels: Jeder Punkt für das Land wird mit Buhs bestraft.

Wer den ESC schon viele Jahre am Fernseher verfolgt, weiß: Die EBU hat es gern völlig unter Kontrolle, welches Bild ihr wichtigstes Eurovisionsprojekt nach außen abgibt. Schon in der Vergangenheit wurden Pfiffe und Buhrufe mit kleinen Mikrofon-Tricks heruntergepegelt, etwa im Kontext mit der Ukraine und Russland. Die Kameraführung blendet traditionell gern alles Unangenehme aus: Protestplakate, wütende Gesichter und unangenehme Meinungen.

Das dies in der heutigen Zeit nicht mehr funktioniert, dürfte für den ESC 2025 in der Schweiz eine Lehre sein. Dann wird Sieger-Act Nemo mit Sicherheit wieder Teil der Show sein. «Ich hoffe wirklich, dass der Eurovision auch in Zukunft für Frieden und Liebe stehen wird und kann. Ich denke, daran muss noch viel gearbeitet werden», sagt Nemo - die Ersatztrophäe neben sich.

© dpa ⁄ Melissa Erichsen und Christof Bock, dpa
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