Schwarz gekleidet kommt der Angeklagte in den Gerichtssaal, sein Gesicht hält er hinter einem grauen Aktenordner verborgen, solange Fotografen und Kameraleute im Raum sind. Später sitzt der 27-Jährige ruhig neben seinem Verteidiger, Rechtsanwalt und folgt der Verhandlung. Die Taten, die dem Angeklagten vorgeworfen werden, wiegen schwer: Er muss sich seit Dienstag wegen Geiselnahme sowie Vergewaltigungen zweier Frauen und gefährlicher Körperverletzungen und Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz vor dem Landgericht Kiel verantworten. Insgesamt elf Punkte umfasst die Anklageschrift.
Die Kieler Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten unter anderem vor, eine 29-Jährige aus Rendsburg im September 2023 verschleppt und auf dem Gelände in Kiel-Holtenau festgehalten zu haben. Auch während dieser Geiselnahme soll es zu Vergewaltigungen und Körperverletzungen gekommen sein. Nach stundenlanger Suche hatten Spezialkräfte der Polizei die verschleppte Frau in einem leer stehenden Hangargebäude des ehemaligen Marinefliegergeschwaders 5 im Kieler Stadtteil Holtenau gefunden und den Angeklagten festnehmen können. Seit dem 13. September 2023 sitzt er in Untersuchungshaft.
Zu Prozessbeginn am Dienstag muss die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Stephan Worpenberg zunächst die Frage klären, ob dieses Verfahren öffentlich geführt werden soll. Rechtsanwalt Urs-Erdmann Pause, der Vertreter der Nebenklägerin, hatte beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen. In der Hauptverhandlung würden schwere Sexualdelikte behandelt. Ohnehin schon traumatisierte Opfer bräuchten Schutz. Dieses Schutzbedürfnis sei höher zu bewerten als das Recht auf Information der Öffentlichkeit, argumentierte er. Nach kurzer Beratung entschied das Gericht in seinem Sinn: Die öffentliche Erörterung der Sexualdelikte würde die schutzwürdigen Interessen des Opfers verletzen. Die Anklage dürfe nur in Teilen öffentlich verlesen werden, von der weiteren Hauptverhandlung sei die Öffentlichkeit komplett ausgeschlossen.
Bei der Verlesung der Anklageschrift durch Oberstaatsanwalt Michael Bimler wurden die Beobachter vom Richter deshalb aufgefordert, den Saal immer dann zu verlassen, wenn es um die Sexualdelikte ging. Doch auch was Bimler öffentlich vortrug, belastete den Angeklagten schwer: Er soll sein Opfer erniedrigt und zum Teil mit einem Messer bedroht haben, soll ihm Körperverletzungen zugefügt haben, Schläge als Strafe unter anderem ins Gesicht und auf Arme und Beine.
Am 12. September, während der Geiselnahme der 29-Jährigen, habe der Angeklagte die Halle auf dem MFG-5-Gelände verlassen, um bestelltes Essen in Empfang zu nehmen. In diesem Moment habe sich die 29-jährige Frau in einem Container verbarrikadieren und einen Notruf mit dem Handy absetzen können, mit dessen Hilfe die Polizei die Frau dann orten und befreien konnte, erklärte Oberstaatsanwalt Bimler. Der Fall beschäftigte im September 2023 nicht nur die Polizei, sondern auch den Innen- und Rechtsausschuss des Landtags.
Der Prozess wird am 2. Mai in einer nicht öffentlichen Sitzung fortgesetzt. Insgesamt sind zehn Verhandlungstage geplant. Ein Urteil könnte am 5. Juli fallen.
