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Wenn Notdienst zu Notfall wird: Sorge um Bereitschaftsdienst

Wer sich außerhalb von Sprechzeiten und am Wochenende schlecht fühlt, der ruft den ärztlichen Notdienst. Doch den sehen viele nach einem Urteil im Südwesten in Gefahr. Die ersten Praxen müssen schließen.
Gesundheitsminister Manne Lucha
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha spricht in Stuttgart. © Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Nach einer weitreichenden Entscheidung des Bundessozialgerichts besteht im Südwesten Sorge um die Gesundheitsversorgung in Randzeiten. Die Menschen im Land müssen sich in nächster Zeit voraussichtlich auf längere Wartezeiten und vollere Praxen einstellen - insbesondere am Wochenende und außerhalb der Sprechzeiten. Ein Notfallplan der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBW) für den ärztlichen Bereitschaftsdienst ist bereits angelaufen. Die Maßnahmen sollen demnach für mindestens drei Monate gelten.

Geschlossen bleiben von Mittwoch an demzufolge die Notfallpraxen in Geislingen, Buchen, Schorndorf, Möckmühl, Künzelsau, Bad Säckingen, Schopfheim sowie in Kirrlach, einem Stadtteil von Waghäusel. Zudem kommt es zu Einschränkungen in Mühlacker, Bietigheim-Bissingen, Rastatt, Singen, Herrenberg und Villingen-Schwenningen. Dort machen die Notfallpraxen unter der Woche gar nicht mehr oder nur noch teilweise auf und konzentrieren sich auf das Wochenende und Feiertage. Darüber hinaus gelten in vielen weiteren der 115 Notfallpraxen im Land nun verkürzte Öffnungszeiten.

Hintergrund der Maßnahmen ist ein Urteil des Bundessozialgerichts. Die Kasseler Richter hatten am Dienstag entschieden, dass ein Zahnarzt sozialversichert werden muss, wenn er als sogenannter Poolarzt einem von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung organisierten Notdienst nachkommt.

Da der ärztliche Bereitschaftsdienst in seiner Organisationsstruktur wesentliche Ähnlichkeiten mit dem zahnärztlichen Bereitschaftsdienst aufweise, sei die Entscheidung übertragbar, hieß es von der KVBW. Das bestehende System könne in der bisherigen Form nicht weitergeführt werden. Die Vereinigung kündigte nach dem Urteil an, mit «sofortiger Wirkung die Tätigkeit der Poolärztinnen und Poolärzte» zu beenden.

Poolärzte sind nach Angaben der KVBW Ärztinnen und Ärzte, die keine Kassenzulassung haben, also unter anderem Mediziner, die im Krankenhaus arbeiten, die kurz vor der Facharztanerkennung stehen oder die bereits im Ruhestand sind.

Vor dem Urteil haben laut KVBW rund 3000 Poolärzte etwa 40 Prozent der Dienste in den Notfallpraxen und der medizinisch erforderlichen Hausbesuche übernommen - und so die niedergelassenen Ärzte entlastet. Ihr Wegfall könne nicht schnell kompensiert werden. Der Notdienst soll weiter sichergestellt sein - aber nicht im bisherigen Umfang.

Nicht betroffen von den Maßnahmen sind gebietsärztlich organisierte Dienste wie der augenärztliche und der HNO-Notfalldienst. Auch die Kindernotfallpraxen bleiben bestehen. Der Rettungsdienst und die Notaufnahmen sind ebenfalls nicht betroffen. Mehrere Verbände hatten zuletzt aber befürchtet, dass nun mehr Menschen in die Notaufnahmen gehen werden - auch ohne triftigen Grund.

Die künftige Struktur des ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Land war zunächst offen. «Das werden wir erst entscheiden, wenn uns die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt und wir alle Details kennen», hatte KVBW-Vorständin Doris Reinhardt am Dienstag mitgeteilt.

Der Ärzteverbund Medi befürchtet Einschränkungen für die Patienten. Durch die neue Regelung würden künftig die niedergelassenen Ärzte die Notdienste parallel stemmen müssen, sagte Norbert Smetak, der Vorsitzende des Medi-Verbunds. Das bedeute reduzierte Notdienstzeiten, weniger Sprechzeiten in der Regelversorgung und einen weiteren Ansturm auf die Notaufnahmen der Krankenhäuser. Der Verbund vertritt nach eigenen Angaben rund 5000 niedergelassene Mediziner und Medizinerinnen.

Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) muss nach Auffassung der oppositionellen SPD gegen die geplanten Einschränkungen beim ärztlichen Bereitschaftsdienst vorgehen. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Florian Wahl, sagte am Mittwoch, es brauche ein Machtwort des Sozialministers, der die Rechtsaufsicht habe. «Er ist jetzt als Aufsichtsorgan zuständig, den Sicherstellungsauftrag für den Notdienst bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg einzufordern.» Er dürfe sich von der KVBW nicht auf der Nase herumtanzen lassen.

Lucha wies die Kritik umgehend zurück. Es sei die SPD gewesen, die auf Bundesebene einen entsprechenden Gesetzesvorstoß der Länder blockiert habe, der Poolärzte mit Notärzten gleichgestellt hätte. Analog zur Ausnahmeregelung für sie sollten die Ausnahmen auch für all jene Ärztinnen und Ärzte gelten, die freiwillig die von der Kassenärztlichen Vereinigung organisierten Not- und Bereitschaftsdienste übernehmen.

Zugleich verwies eine Sprecherin von Lucha darauf, dass mit dem Konzept der KVBW Chaos in den Notaufnahmen der Kliniken und beim Rettungsdienst vermieden werden soll.

Der Virchowbund warnte hingegen vor einem Kollaps des ärztlichen Notfalldienstes in Baden-Württemberg. Das Bundessozialgericht habe mit sofortiger Wirkung eine bewährte Struktur der Notfalldienstversorgung faktisch außer Kraft gesetzt, sagte die Landesvorsitzende Brigitte Szaszi. Für die Patientinnen und Patienten heiße das nichts Gutes. Nachts werde man stundenlang auf den Notdienst warten müssen. Die Notaufnahmen würden überlaufen sein. Dadurch werde die ärztliche Versorgung erneut massiv bedroht. Im Virchowbund sind ebenfalls niedergelassene Mediziner organisiert.

Die Landesärztekammer zeigte sich überzeugt, dass für die Neuorganisation des ärztlichen Bereitschaftsdienstes weiterhin Poolärzte notwendig sind. «Es ist geradezu absurd, dass in Zeiten knapper Ressourcen diejenigen, die vielleicht bereits im Ruhestand sind oder auch in anderen Bereichen ärztlich tätig sind, jetzt nicht mehr am Notfalldienst teilnehmen sollen.» Das müsse zunächst organisatorisch, eigentlich dann aber politisch gelöst werden.

© dpa
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