Es ist wahrhaft kein Werbefilm für den Beruf der Tierärzte und Tierärztinnen. In der gut halbstündigen Arte-Dokumentation «Re: Tierärzte unter Druck» geht es um Depressionen, Burnout und Suizid. Der deutsch-französische Sender hat drei von ihnen begleitet. Sie berichten sehr offen und ehrlich vor der Kamera über die Schattenseiten des vermeintlichen Traumberufs.
Was da am frühen Donnerstagabend (18.5., 19.40 Uhr) zu sehen ist, hat in erster Linie nichts mit süßen Tieren und Lebensrettung zu tun. Stattdessen erzählt zum Beispiel die Münchner Tierärztin Petra Kracher von schlechter Bezahlung und 900 Euro Rente. Dass sie alle 30 Minuten ein Tier behandeln und 2000 Euro netto pro Tag verdienen muss, um die Kosten der eigenen Praxis decken zu können.
Kracher erzählt von Arbeitstagen, die nach dem Abschließen der Praxis noch Hausbesuche mit sich bringen. «Da denkt man sich, man hätte so gerne Feierabend. Und hat ihn eben nicht.» So wie von Selbstmordgedanken und dem Zugriff der Veterinäre auf ein Medikament, das tötet und das sie tagtäglich anwenden. «Von dem wir wissen, dass das ganz problemlos ist, nicht wehtut, nicht Schmerzen bereitet.»
Und selbst einer, der erst am Anfang seines Berufslebens steht, spricht zwar von guten Jobaussichten infolge von Personalmangel und besser werdenden Gehältern. Doch Joshua Konrad, der in Leipzig Tiermedizin studiert, hat auch eine Selbsthilfegruppe für sich und seine Kommilitonen und Kommilitoninnen gegründet. Sie sprechen über Druck im Studium und die Belastung, die sie dabei verspüren. Schon bevor er damit begonnen hat, sei Konrad in psychotherapeutischer Behandlung gewesen, sagt die Stimme aus dem Off über den 22-Jährigen.
Mit Tod und Tierbesitzern konfrontiert
Die Reportage scheut keine klaren Worte, redet nicht um den heißen Brei herum. Und sie beleuchtet ein Thema, das die Branche schon seit langem umtreibt. Tiermediziner seien unterschiedlichen beruflichen Belastungen und Gesundheitsrisiken ausgesetzt, heißt es in einem Beitrag des «Deutschen Tierärzteblatts» aus dem vergangenen Jahr. Dazu zählten auch Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden, Trittverletzungen und erhöhte Lärmpegel in den Praxen. Zudem trügen sie große Verantwortung, seien regelmäßig mit dem Tod und den Tierbesitzern konfrontiert und hinterfragten ihre Entscheidungen.
Mehr als 44.000 Tierärztinnen und -ärzte gab es nach Angaben der Bundestierärztekammer (Stand 31. Dezember 2021), ein Viertel davon nicht oder ohne Entgelt tätig. Fast 12.000 der Veterinärmediziner und -medizinerinnen sind niedergelassen etwa in eigenen Praxen, andere arbeiten im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft - zum Beispiel in der Pharma- oder Lebensmittelindustrie.
Veterinärmedizin studieren den Statistiken zufolge seit Jahren zwischen 5000 und 7000 Menschen. Jedes Wintersemester fangen etwas mehr als 1000 neue Studierende an; überwiegend sind das Frauen.
Was auf sie zukommt, macht der Film mehr als deutlich. «Besonders stressig ist es immer, wenn die Leute emotional aufgeladen sind», sagt beispielsweise der Tierarzt Tri Tran Cong aus Frankreich. «Wenn sie schreien und brüllen.» Er findet Ausgleich in asiatischer Kampfkunst, die Tierärztin Kracher aus München bei Yoga und autogenem Training. «Und wenn's nicht hilft, dann trinkt man halt 'nen Schluck Alkohol.»