Russen-Rückkehr weckt massives Doping-Misstrauen

Das Internationale Olympische Komitee wünscht die Rückkehr von Russen auf die Weltbühne. Ihre Doping-Skandale wecken Misstrauen. Die große Frage: Sind sie trotz Kriegs genügend getestet und sauber?
Doping
Laut Athletenvertreterin Léa Krüger soll das Thema Doping verstärkt in den Blickpunkt rücken. © Patrick Seeger/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa

Léa Krügers Urteil in Sachen Russland, Doping und Misstrauen ist hart wie ein Säbelhieb.

«Eine Rückkehr Russlands in den Weltsport wird die Chancengleichheit und die Integrität der Wettbewerbe massiv gefährden», sagte die 27 Jahre alte Fechterin, die im Aufsichtsrat der Nationalen Anti-Doping-Agentur sitzt. Auch der mehrfache deutsche Judo-Meister Igor Wandtke hegt großes Misstrauen: «Es ist schwer zu glauben, dass sie sauber sind.» Das 2014 aufgeflogene Staatsdoping und als Folge die Manipulationen der Doping-Daten im Moskauer Labor sind nicht vergessen.

Dies allein weckt nicht nur die aktuellen großen Zweifel. Seit dem Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 werden die Russen und Belarussen weiter kontrolliert - aber eingeschränkt. Im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hat die Internationale Testing-Agentur (Ita) im vorigen Jahr - in denen beide Länder weltweit von Sportveranstaltungen ausgeschlossen waren -  nur noch 179 Wettkampftests (2022: 943) vorgenommen. Die Zahl der Trainingskontrollen ist fast gleich geblieben: 1055 Tests waren es laut Ita-Angaben 2021 und 943 in 2022. Die Testagentur hat aber nur Verträge mit 24 der 32 olympischen Sommersportverbände. 

Eine Zusammenarbeit mit der russischen Anti-Doping-Agentur Rusada und Ita gibt es aktuell nicht, weil die Rusada trotz Ablaufs der zweijährigen Sperre wegen des Dopingdaten-Betrugs weiter suspendiert ist. «Unser Vertrauen in die Unabhängigkeit des Anti-Doping-Systems in Russland ist nach wie vor sehr gering», betonte Wada-Präsident Witold Banka Ende Mai.

«Black Box» Russland

«Das Krieg führende, weitläufige Russland scheint auch von Experten als Black Box eingestuft zu werden», sagte Maximilian Klein, Direktor für Sportpolitik und Strategie der Interessenvereinigung Athleten Deutschland. Insbesondere die herausfordernde Logistik dürfte nicht frei von Manipulationsrisiken sein. «Uns fällt es schwer vorzustellen, ob und wie dort unter diesen Gesichtspunkten ein integres Anti-Doping-System funktionieren kann», meinte er. Der Umgang der Rusada mit dem Fall der Eiskunstläuferin Kamila Walijewa, die sie trotz einer positiven Dopingprobe freigesprochen hat, habe dazu beigetragen.

«Das staatlich orchestrierte Dopingsystem und der laxe Umgang des Weltsports mit dem Skandal löste nicht nur in der Athletenschaft eine der größten Vertrauenskrisen in den Anti-Dopingkampf und die Integrität des Weltsports aus», erklärte Klein. «Russland hat die Athletinnen und Athleten systematisch betrogen. Dieser Vertrauensverlust hält unserer Einschätzung nach bis heute an.»

Geschürt wurde das Misstrauen durch die jüngste Wada-Mitteilung, dass 203 russische Sportler nach Auswertung der manipulierten Doping-Dateien aus dem Moskauer Analyselabor nachträglich überführt worden sind. 182 Fälle werden noch untersucht. Auch der Blick auf die Doping-Sanktionsliste des Leichtathletik-Weltverbandes (Stand: 1. Mai) lässt Zweifel aufkommen, dass Russland aus der Vergangenheit gelernt hat: Mehr als 100 Läufer, Springer und Werfer aus dem Land stehen mit Sperren bis ins Jahr 2027 dort drauf. 

Trotzdem hat World Athletics die Suspendierung des russischen Verbandes wegen systematischen Dopings im März nach siebeneinhalb Jahren aufgehoben. Zugleich verfügte der Weltverband, dass Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees weiter nicht an internationalen Wettkämpfen teilnehmen darf - wie schon bei der WM 2022 in Eugene. Ebenso sind Russen und Belarussen von den Europaspielen vom 21. Juni bis 2. Juli in Krakau ausgeschlossen, wo 7000 Starter aus rund 50 Ländern in 29 Sportarten antreten.

Schwimm-Verband sorgt sich um Chancengleichheit

Für den Deutschen Schwimm-Verband ist das Doping-Thema neben dem Angriffskrieg auf die Ukraine ein gewichtiger Grund, die Rückkehr Russlands auf die Weltbühne für unangebracht zu halten. Der Weltverband World Aquatics wird darüber beim Kongress am Rande der WM Mitte Juli in Japan entscheiden. «Da zu hören war, dass insbesondere die wichtigen Trainingskontrollen in Russland nicht in adäquater Anzahl unangekündigt durchgeführt wurden, würde sich die Frage der Chancengleichheit bei einer Wiederzulassung Russland natürlich stellen», sagte DSV-Sportdirektor Christian Hansmann.

Judoka Wandtke, der in seiner Sportart wieder mit Russen auf die Matte muss, hat nicht viel Hoffnung auf Fairplay. «Ich bin mir bewusst, dass in meiner Sportart einige Athleten dopen», sagte er. Insofern mache es keinen Unterschied, ob nun auch die aus Russland wieder dabei seien: «Die Illusion von einem komplett fairen und sauberen Sport ist eine Illusion.» 

Die ukrainischen Athleten sind seit Ausbruch des Krieges im Übrigen fast im gleichen Umfang getestet worden - meistens außerhalb ihres Landes. 2021 wurden sie 239 Tests im Training und 149 im Wettkampf unterzogen. Im vergangenen Jahr absolvierten sie 255 Trainingskontrollen und 231 bei Sportveranstaltungen, teilte die Ita mit. Die Agentur wies aber auch darauf hin, dass im Wada-Code kein Minimum an Doping-Tests für einen Athleten vorgeschrieben wird.

© dpa ⁄ Andreas Schirmer, dpa
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