Massive Probleme bei Flüchtlingsunterbringung: Geldstreit

Die Flüchtlingsunterbringung bleibt ein Reizthema zwischen Land und Kommunen. Den Oberbürgermeistern der größeren Städte reicht die Landeshilfe nicht. Ministerpräsident Ramelow drängt auf mehr Kapazitäten - auch in Hotels und Jugendherbergen.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow spricht zu den Genossen seiner Partei Die Linke. © Heiko Rebsch/dpa/Archivbild

Zur Entlastung der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Suhl sollen nach Angaben von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) kurzfristig rund 400 Plätze in Erfurt geschaffen werden. Dieses Objekt solle ebenso wie eine große Unterkunft in Hermsdorf in Ostthüringern als Nebenstelle von Suhl dienen und damit in Landesregie liegen. Ramelow rief Städte und Gemeinden auf, ebenfalls schnell Unterbringungsmöglichkeiten zu suchen - auch Hotels oder Jugendherbergen müssten geprüft werden.

In der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl hatte es in den vergangenen Tagen zum zweiten Mal in Folge gewaltsame Auseinandersetzungen mit größeren Polizeieinsätzen gegeben. Das Thüringer Migrationsministerium sprach danach von einer Situation in Suhl, die aufgrund der hohen Ankunftszahlen eine große Herausforderung sei. Die Oberbürgermeister der größeren Städte in Thüringen verlangten vom Land mehr und verlässlichere Hilfe als bisher.

Nach Angaben des Regierungschefs soll das Objekt in Hermsdorf, für das nach Ausschreibungen kein Betreiber gefunden werden konnte, zunächst vom Land betrieben werden. Ramelow: «Wir brauchen jetzt schnell Kapazitäten.» Wegen der angespannten Situation gab es am Freitag eine Videoschaltkonferenz von mehreren Ministern mit Vertretern der Kommunen.

Ramelow kündigte den Kommunen weitere finanzielle Hilfe vom Land an, um die Unterbringungsprobleme für Geflüchtete zu lösen. Ein Weg sei die Sanierung leerstehender Wohnungen. Der Ministerpräsident nannte dafür einen Betrag von jeweils 5000 Euro pro Wohnung, die dafür gezahlt werden könnten. Ziel seien 11.000 Unterkünfte in den Kommunen, derzeit seien es etwa 8000.

Die Stadtoberhäupter äußerten sich unzufrieden mit den Finanzierungszusagen des Landes. Jenas Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) sagte, innerhalb der Landesregierung werde seit Monaten «Zuständigkeitshalma» gespielt. Die Ministerien für Migration, Soziales und Finanzen schöben sich gegenseitig Verantwortlichkeiten zu. «Wir beobachten das in den Videokonferenzen seit Monaten, aber es geht nicht voran», sagte er. Auch die Oberbürgermeister von Gera, Julian Vonarb (parteilos), von Erfurt, Andreas Bausewein (SPD), und von Suhl, André Knapp (CDU), sowie die Oberbürgermeisterin Eisenachs, Katja Wolf (Linke), äußerten sich kritisch.

Die von Ramelow genannten 5000 Euro pro Wohnung sind aus Sicht der Stadtoberhäupter zu gering. Für Wohnungen, die lange leer stünden, sei realistischerweise mit Kosten von 10.000 bis 12.000 Euro je Wohnung zu rechnen, sagte Knapp.

Zudem gebe es in den größeren Städten faktisch gar keine leerstehenden Wohnungen mehr, sagten Bausewein und Nitzsche. Wegen des Handwerkermangels sei es nahezu unmöglich, eventuell vorhandene Immobilien schnell bezugsfertig zu machen. Realistischerweise müsse man mit einer Vorlaufzeit von sechs bis neun Monaten planen.

Weiterhin sehr unterschiedliche Auffassungen gab es auch zur künftigen Höhe der Flüchtlingskostenpauschale, die die Kommunen für die Unterbringung von Flüchtlingen erhalten, die nicht aus der Ukraine kommen. Sie liegt aktuell bei 210 Euro pro Flüchtling und Monat.

Nach dpa-Informationen will das Land sie auf etwa 341 Euro für die Landkreise und auf etwa 378 Euro für die kreisfreien Städte erhöhen - und von den Kommunen im Gegenzug fordern, dass sie die Zahl der Plätze in Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge auf etwa 11.000 erhöhen. Die Oberbürgermeister erklärten allerdings, sie bräuchten eine Pauschale, die zwischen 500 und 600 Euro liege, um kostendeckend arbeiten zu können.

Schließlich streiten das Land und manche Kommunen auch über Deckungszusagen für Immobilien, die zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden könnten. In Erfurt beispielsweise gebe es zwei leerstehende Hotels, die die Stadt zu diesem Zweck anmieten könne, sagte Bausewein. Er werde einen entsprechenden Vertrag aber erst unterschreiben, wenn der Freistaat schriftlich zusichere, wirklich alle der Stadt dafür entstehenden Kosten zu übernehmen. Das sei bislang nicht geschehen.

Ramelow erklärte dagegen, zwei Minister der Landesregierung hätten seit zwei Tagen erfolglos versucht, Bausewein zu erreichen, um ihm eine sogenannte Patronatserklärung für diese Immobilien zu geben. Damit würde das Land geradestehen, wenn die Immobilien dann doch leer ständen.

© dpa
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