Angesichts steigender Zugangszahlen hat Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) vor einem Scheitern der europäischen Asylreform gewarnt. «Wir hatten im August erstmals wieder mehr als 200 Zugänge in einer Woche. Die Zahlen steigen stets in den Herbstmonaten weiter an, alle wissen das», sagte die CDU-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die Entwicklungen in Sachsen-Anhalt. «Entscheidend ist, dass die Asylreform auf europäischer Ebene kommt. Noch mal so ein Zugangsgeschehen machen die Menschen nicht mit. 2024 müssen die Zahlen sinken.»
Innerhalb der EU gibt es Pläne, die illegale Migration zu begrenzen. So sollen beispielsweise Asylanträge von Migranten aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von weniger als 20 Prozent in Zukunft bereits an den EU-Außengrenzen innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden. In dieser Zeit sollen die Schutzsuchenden verpflichtet werden, in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen zu bleiben. Wer keine Chance auf Asyl hat, soll umgehend zurückgeschickt werden. Außerdem war zuletzt im Gespräch, dass Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, künftig Ausgleichszahlungen leisten sollen. Die Verhandlungen sind aber noch nicht abgeschlossen.
«Ein Ausbleiben der Asylreform wäre fatal für Europa, dann droht ein Zurückfallen in Nationalstaatlichkeit. Dann wird es Reaktionen einzelner Mitgliedstaaten geben, Grenzkontrollen könnten innerhalb Europas wieder kommen», so Zieschang. Die Innenministerin geht davon aus, dass einzelne Staaten bei einem Scheitern der Reform eigenmächtig handeln würden - auch, um populistischen Parteien für die Europawahl im nächsten Jahr den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Im ersten Halbjahr beantragten 162.271 Menschen in Deutschland Asyl - das entspricht rund 64 Prozent der Zahl des gesamten Jahres 2022. Auch Sachsen-Anhalt hat im ersten Halbjahr 2023 mehr Schutzsuchende aufgenommen, insgesamt waren es 3153. Im ersten Halbjahr 2022 waren es mit 1947 Menschen deutlich weniger gewesen. Die meisten Menschen kamen in diesem Jahr aus Syrien, Indien, der Türkei, Afghanistan, Georgien, Kamerun, Russland, Iran, Irak und Mali.
Insgesamt hat Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr 5931 Asylsuchende aufgenommen. Darüber hinaus wurden rund 29.500 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine registriert. Bei den Asylsuchenden geht Zieschang in diesem Jahr von mehr als 6000 Zugängen aus. «Wir schaffen Reservepuffer bei den Unterkünften», sagte Zieschang.