Der Magdeburger SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Kröber hat die Stimmenthaltung Sachsen-Anhalts im Bundesrat zum Bürgergeld kritisiert. «Das Bürgergeld zu verhindern, ist feige und reiner Populismus», erklärte Kröber am Montag. «Die Union hat die Ebene der Sachpolitik leider verlassen.» In Sachsen-Anhalt erhielten knapp 55.000 Menschen Arbeitslosengeld II. «Viele wissen nicht, wie sie den nächsten Winter überstehen sollen. Diese Menschen lässt unser Ministerpräsident hängen.» Kritik kam auch von Linken und Grünen.
Das Bürgergeld der Ampel-Koalition wurde im Bundesrat vorerst gestoppt. Der Gesetzentwurf für die Sozialreform erhielt am Montag nicht die erforderliche Mehrheit. Damit kann das zum 1. Januar geplante Vorhaben zunächst nicht in Kraft treten. Wie zuvor angekündigt, verweigerten mehrere Landesregierungen unter Führung beziehungsweise mit Beteiligung der Union dem Vorhaben ihre Zustimmung. Das schwarz-rot-gelb regierte Sachsen-Anhalt enthielt sich, wie ein Regierungssprecher bestätigte.
Sachsen-Anhalts CDU-Generalsekretär Mario Karschunke erklärte: «Die Entscheidung, das Bürgergeld abzulehnen, ist richtig.» Hohes Schonvermögen und fehlende Sanktionen bei ausbleibender Mitwirkung und Pflichtverletzungen wären aus Karschunkes Sicht ein «gefährlicher Schritt hin zur Bedingungslosigkeit». Der Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen, würde massiv verringert. «Das Bürgergeld wäre damit eine Respektlosigkeit gegenüber unseren Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, die durch ihre tägliche Arbeit unser Sozialsystem mit finanzieren», so der Generalsekretär.
Der Grünen-Landesvorsitzende Dennis Helmich sieht im Verhalten von CDU und CSU im Bundesrat «eine Niederlage für die Betroffenen». «Auch in Sachsen-Anhalt würden sehr viele Menschen vom neuen Bürgergeld profitieren. Den Ärmsten in der Gesellschaft ausgerechnet in diesen äußerst schwierigen Zeiten vorzuenthalten, dass sie besser durch den Winter kommen, ist zynisch und respektlos.» Helmich appellierte an die Union, «sich wenigstens jetzt im Vermittlungsausschuss konstruktiv einzubringen und die verwerfliche Polemik der letzten Wochen einzustellen».
Die Linke-Landtagsfraktion sprach von einem rückwärtsgewandten Bürgergeld-Blockadeversuch der CDU. «Die Blockade der CDU trägt zur gesellschaftlichen Spaltung bei und führt dazu, dass noch mehr Menschen abgehängt werden», kritisierte Fraktionschefin Eva von Angern. Sie forderte wiederholt eine armutsfeste Grundsicherung ohne Sanktionen. Niemand dürfe weniger als 1200 Euro zum Leben haben. Wenn die Hartz-IV-Empfänger ab Januar 2023 mit dem Bürgergeld 53 Euro mehr erhielten, sei das nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Welche große Belastung die Umsetzung des Bürgergeldes zum Januar 2023 für die Kommunen wäre, betonte Landkreistags-Präsident Götz Ulrich in einem Interview mit der «Magdeburger Volksstimme». Aus seiner Sicht sollte die Einführung des Bürgergeldes verschoben werden. «Die Regelsätze sollten schnell angehoben, alles Weitere aber später umgesetzt werden», sagte der CDU-Politiker in einem Interview der «Magdeburger Volksstimme».
Die kommunalen Jobcenter seien derzeit wegen der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine überlastet. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften im Land sei seit Mai dieses Jahres um gut sieben Prozent auf rund 103.000 angestiegen. Das Bürgergeld werde den Kreis der Anspruchsberechtigten weiter erhöhen. Ulrich geht davon aus, dass viele Familien wegen der enorm hohen Energiepreise einen Antrag stellen. «Den zu erwartenden Ansturm schaffen unsere Jobcenter personell nicht, zumal auch der geplante Härtefallfonds darüber abgewickelt werden soll.»
Mit dem neuen Bürgergeld soll das umstrittene System Hartz IV überwunden werden. Vorgesehen ist eine Erhöhung des heutigen Regelsatzes von 449 Euro auf 502 Euro für alleinstehende Leistungsempfänger. Das befürwortet auch die Union. Arbeitslose sollen künftig weniger durch einen angedrohten Leistungsentzug unter Druck gesetzt werden, speziell im ersten halben Jahr («Vertrauenszeit»). Vorgaben zur erlaubten Vermögenshöhe und zur Wohnungsgröße bei Leistungsbeziehern will die Ampel lockern. Bei diesen Punkten hält die Union seit Wochen ihr Stoppschild hoch.