Borussia Mönchengladbach wird das Thema Max Eberl nicht los. Am Ende einer bitteren Woche mit dem Pokal-Aus in Darmstadt, nur einem Punkt aus zwei Bundesligaspielen und den schweren Verletzungen der Schlüsselspieler Yann Sommer und Jonas Hofmann muss sich die Borussia mit heftiger Kritik des einstigen Sportchefs auseinandersetzen. Dass sich beide Seiten im Januar nicht im Guten getrennt hatten, war erst Tuschelthema der Fußball-Bundesliga - und wird nun klarer denn je.
«Mit mir hat sich jemand zu Wort gemeldet, der psychisch angeschlagen, der krank war - und ihm wird nicht geglaubt. Das ist das Problem!», sagte Eberl, der bald beim ungeliebten Konkurrenten RB Leipzig arbeiten wird, in einem bemerkenswerten Interview der «Welt am Sonntag» in der dritten Person. Er habe den Eindruck gehabt, «als habe man nicht wirklich verstanden, worum es mir geht - und vor allem: Wie es mir geht». Eberls Aussagen klingen verletzt, gekränkt. Und das auf großer Bühne.
Sein Gladbacher Sportchef-Nachfolger Roland Virkus - einer seiner damals engsten Mitarbeiter - offenbarte im Interview der Deutschen Presse-Agentur, seit Januar keinerlei Kontakt mit Eberl gehabt zu haben. Obwohl er einigen Gesprächsbedarf mit seinem Vorgänger habe. «Natürlich will ich mit Max im Nachgang ein paar Themen besprechen», sagte Virkus. «Wir hatten in den Jahren zuvor einen ganz engen Draht. Nachdem Max gegangen ist, habe ich ihn auch erst mal in Ruhe gelassen. Er hat ja auch einen Grund für seinen Abgang genannt: Weil er sich erschöpft fühlte. Dann lässt man einen Menschen auch erst mal in Ruhe.»
Eberl, der Ende 2020 mit seiner Vertragsverlängerung bis 2026 eine für die Branche unübliche mehrwöchige Auszeit zugestanden bekommen hatte, war monatelang untergetaucht. Und unter anderem auf einer «Reise zu mir selbst» im argentinisch-chilenischen Grenzgebiet, wie der 49-Jährige sagte. Der Kontakt zur Borussia war abgerissen. «Aber es hat mir auch geholfen, damit abzuschließen. Ich habe jahrelang funktioniert, und als ich nicht mehr funktioniert habe, war es ganz schnell vorbei», sagte Eberl.
In der Tat wirkte die Atmosphäre bei der viel beachteten Pressekonferenz im Januar, als Eberl unter Tränen ausführte, dass er nicht mehr könne und dringend Abstand vom Fußball benötige, etwas surreal. Die Reaktionen der Clubführung um Präsident Rolf Königs und Vize-Präsident Rainer Bonhof auf die damaligen intimen Ausführungen Eberls wurden als gefühlskalt beschrieben. Offenbar gingen die Wahrnehmungen über das, was Eberl intern dargelegt hatte und öffentlich darstellt, tatsächlich auseinander.
Was ihn nach eigener Aussage besonders getroffen hat, ist der Umgang Borussias mit einem Offenen Brief des Fanprojektes, als sich Eberls Unterschrift bei RB Leipzig andeutete. Darin wurde ihm vorgeworfen, bei seinen Ausführungen hinsichtlich seiner Erschöpfung unehrlich gewesen zu sein. Die Enttäuschung über seinen Wechsel zu RB könne er verstehen, «aber nicht, dass mir Lügen und Theaterspiel vorgeworfen wird - und dass der Club so etwas nicht umgehend zurückweist». Ihn enttäusche es «sehr, dass Menschen, mit denen ich 23 Jahren lang fast täglich zusammengearbeitet habe, mir nicht glauben.» Die Borussia wollte sich am Sonntag zu den Vorwürfen nicht äußern.
Dass die Gladbacher Führung die Kritik des Fanprojekts nicht zurückgewiesen habe, stimmt so aber nicht ganz. Virkus sagte im dpa-Interview zur Kritik an Eberls Wechsel nach Leipzig: «Das ist ja die persönliche Entscheidung von Max Eberl. Das hat man zu respektieren.»
Dass er, der RB in seiner Gladbacher Zeit stets «Wettbewerbsverzerrung» vorgeworfen und scharf kritisiert hatte, im Dezember ausgerechnet zum sächsischen Marketinginstrument des Red-Bull-Imperiums wechselt, kann Eberl dabei im interview nicht so recht begründen. «Ich habe einfach Bock für Leipzig zu arbeiten», sagte er lapidar und deutete an, die Kritik an den Sachsen sei nie ganz authentisch gewesen: «Als ich mich damit auseinandergesetzt habe, habe ich gemerkt, wie wichtig es mir jahrelang war, den Menschen zu gefallen - dass die Fans und die Leute um mich herum zufrieden sind, mit dem was ich mache.»
Zu einem Wiedersehen beider Parteien kommt es Mitte März, wenn die Borussia in Leipzig antritt. Das nächste Pflichtspiel im Borussia-Park steht erst wieder in der kommenden Spielzeit an. «Wenn ich irgendwann wieder ins Gladbacher Stadion komme, kann mir keiner nehmen, was ich dort geleistet habe und was wir zusammen erreicht haben. Ich kann dort allen Menschen in die Augen schauen. Ob sie es auch können, weiß ich nicht», sagte Eberl.