Viele Kinder von in Armut lebenden Familien sind auf Hilfe vom Jugendamt angewiesen. Es gebe einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Bezug von Grundsicherung und den Auszahlungen von Hilfen zur Erziehung, sagte am Freitag der Geschäftsführer des Instituts für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ism), Heinz Müller, bei der Vorstellung des Kinder- und Jugendhilfemonitors Rheinland-Pfalz 2022.
Dieser vom ism für das Familienministerium erstellte Bericht gibt an, dass im Landesdurchschnitt 36,7 von 1000 Kindern und Jugendlichen unter 21 Jahren mit erzieherischen Hilfen betreut werden. Dabei gibt es nach den Daten von 2020 erhebliche geografische Unterschiede: In Pirmasens und Idar-Oberstein war dieser sogenannte Eckwert mit jeweils 72,0 doppelt so hoch wie der Durchschnitt. In Koblenz sind es 47,3, in Ludwigshafen 46,0. Unterdurchschnittlich sind die Fallzahlen in der Landeshauptstadt Mainz (35,5) sowie am unteren Ende in den Landkreisen Südwestpfalz (21,2), Westerwaldkreis (19,7) und Mayen-Koblenz (18,1).
«Armut führt zu Teilhabe-Einschränkungen in allen Lebensbereichen», sagte Familienministerin Katharina Binz (Grüne). «Die Zeit ist reif für die Kindergrundsicherung.» Deren für das Jahr 2024 erhoffte Einführung werde zwar nicht alle Probleme von Familien lösen. Aber dann sei es möglich, dass die finanzielle Unterstützung für Kinder aus einer Hand angeboten werde. «Wir haben viele Leistungen, die aber bei den Familien nicht ankommen, weil die Antragstellung zu komplex ist.»
Die Gesamtausgaben der Kinder- und Jugendhilfe in Rheinland-Pfalz, einschließlich der Schulsozialarbeit und Jugendberufshilfe, hatten im vergangenen Jahr einen Umfang von 728,1 Millionen Euro. Dabei stiegen allein die Ausgaben in der stationären Jugendhilfe, bei den sogenannten Inobhutnahmen in akuten Krisen und Notsituationen, seit 2015 um 114,3 Prozent auf neun Millionen Euro.
Der Bedarf an Kinder- und Jugendhilfe werde weiter steigen, sagte Binz. «Je mehr Krisen wir haben, desto länger sie dauern, desto größer sind die Gefährdungen.» Die Ministerin fügte hinzu: «Die Zeiten, in denen wir leben, sind nicht leicht.» Die Kinder- und Jugendhilfe müsse mit den Folgen der Corona-Pandemie, der Inflation und mit Fluchterfahrungen umgehen und «Konzepte für neuen Hilfebedarf erarbeiten».
Im vergangenen Jahr wurden den Jugendämtern in 8659 Fällen der Verdacht auf eine Gefährdung des Kindeswohls gemeldet, rund zwei Prozent weniger als 2020. Dies belege eine anhaltend hohe Achtsamkeit mit Blick auf das Wohl von Kindern und Jugendlichen aller Altersgruppen, sagte ism-Geschäftsführer Müller.
Die daraufhin eingeleiteten Prüfungen der Jugendämter zeigten, «dass in zwei Drittel aller Meldungen auch etwas dran ist», sagte Müller. So wurde bei 15 Prozent dieser Fälle eine Kindeswohlgefährdung festgestellt, in 16,8 Prozent der Fälle einen latente, also sich abzeichnende Kindeswohlgefährdung. Ein Drittel (33,8 Prozent) der Prüfungen ergab, dass zwar keine Kindeswohlgefährdung vorliegt, dass aber weiterer Hilfe- oder Unterstützungsbedarf vorhanden ist.
Gutes Fachpersonal zu finden, sei die größte Herausforderung in der Kinder- und Jugendhilfe, sagte die Jugendamtsleiterin im Kreis Germersheim, Denise Hartmann-Mohr. Wegen der besonders belastenden Arbeit sei die Fluktuation enorm.