Ein 19 Jahre alter Mann, der wegen Mordes noch nicht rechtskräftig verurteilt und aus der Untersuchungshaft in Rheinland-Pfalz entlassen worden war, ist wieder im Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal habe beim örtlichen Landgericht einen neuen Haftbefehl erwirkt, teilte die Justiz am Montag mit.
Der Staatsanwaltschaft zufolge waren Ermittler auf einen Internetchat gestoßen, in dem der 19-Jährige gegenüber einer etwa 20 Jahre alten Frau sexuelle Gewaltfantasien geäußert habe. Der Ton des Mannes sei «sehr manipulativ» gewesen, sagte der Justizsprecher. Die Befürchtung sei angesichts der kriminellen Vorgeschichte, dass der Mann der Frau etwas antun könnte. Wegen dieser «konkreten neuen Tatsachen» sei der Mann in eine Jugendstrafanstalt gebracht worden. Eine Beschwerde des Verteidigers des Mannes gegen den Haftbefehl wies das Gericht zurück.
Die Beschwerde geht nun zum Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken. Der Verteidiger sagte am Montag, aus seiner Sicht werde seinem Mandanten keine neue Straftat zu Last gelegt. «Die Entscheidung des Landgerichts ist zwar menschlich verständlich, gerade auch im Hinblick auf die große Empörung, die die Freilassung des Angeklagten in der Öffentlichkeit ausgelöst hat, rechtlich jedoch meines Erachtens nicht möglich», unterstrich er in einer Stellungnahme.
Der 19-Jährige war am 2. August vom Landgericht Frankenthal wegen Mordes und Vergewaltigung zu zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Dem Urteil zufolge hatte er 2020 ein 18-jähriges Mädchen in Ludwigshafen vergewaltigt und erwürgt. Zudem missbrauchte er laut Richterspruch zwei weitere Kinder in drei Fällen sexuell.
Die Verteidigung hatte nach dem Urteil Haftbeschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken eingelegt. Am 6. Oktober 2022 hob das OLG den Haftbefehl gegen den Beschuldigten auf, der seit dem 13. März 2020 - mehr als zweieinhalb Jahre - in U-Haft saß. Begründung: Die Fortdauer der Untersuchungshaft sei mit dem Anspruch des Angeklagten auf eine beschleunigte Verurteilung nicht mehr zu vereinbaren, die Verzögerungen habe nicht er verschuldet.
Die Freilassung eines noch nicht rechtskräftig verurteilten Mörders aus der Untersuchungshaft hatte in der Öffentlichkeit Aufregung verursacht. Auch der Rechtsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags hatte sich mit dem Fall beschäftigt. Landesjustizminister Herbert Mertin (FDP) sagte, er verstehe, dass die Entscheidung, den noch nicht rechtskräftig verurteilten Mörder auf freien Fuß zu setzen, in der Öffentlichkeit eine «verstörende Wirkung» habe.
Gegen das Urteil von August haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung Revision eingelegt. Wann darüber entschieden wird, ist offen.