Die rheinland-pfälzischen Kommunen erhöhen den Druck auf das Land bei ihrer Forderung für eine ausreichende Finanzierung der Flüchtlingskosten. Städte, Gemeinden und Landkreise seien am Limit bei der Aufnahme von Schutzsuchenden, sagte der Geschäftsführende Direktor des Landkreistags, Andreas Göbel, am Donnerstag in Mainz. Im Herbst und Winter müsse mit einer hohen Zahl an Zuzügen gerechnet werden. Wer für die Mehrkosten der Kommunen bei der Aufnahme, Unterbringung und Integration der Menschen aufkommt, sei aber weiter ungeklärt.
Ein von den Kommunen in Auftrag gegebenes Gutachten habe nun ergeben, dass es einen verfassungsrechtlichen Anspruch von Städten, Gemeinden und Landkreisen auf eine Vollkostenerstattung durch das Land gebe. «Wir sehen uns nun von rechtlicher Seite bestätigt, dass die vom Land angewandte Praxis der Kostenerstattung bei der Fluchtaufnahme unzureichend und damit verfassungswidrig ist», erklärten Göbel und die Vertreterinnen und Vertreter des Städtetags sowie des Gemeinde- und Städtebunds. Es gebe eine strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen.
Die Kommunalen Spitzenverbände betonten, dass sie mit dem Ergebnis des Gutachtens nun das Gespräch mit der Landesregierung suchen wollen. Es werde eine politische Lösung in der Finanzfrage angestrebt. Sollte das aber nicht möglich sein, werde auch der Weg über eine Klage nicht ausgeschlossen. Die Kommunalen Spitzenverbände könnten diesen Klageweg zwar nicht bestreiten. Das könne aber über eine oder mehrere Kommunen erfolgen, hieß es.
Nach dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern im Frühjahr hatten die Kommunalen Spitzenverbände von einer Summe von 300 Millionen Euro zur Deckung der Finanzierung für die Flüchtlingsversorgung in Rheinland-Pfalz gesprochen. Diese Summe sei der Mindestbetrag, sagte der Geschäftsführende Direktor des Städtetags, Michael Mätzig, auch mit Blick auf die Kosten und die Entwicklung im nächsten Jahr.
Im November ist die nächste Bund-Länder-Runde über die künftige Verteilung der Kosten für die Flüchtlingsversorgung geplant. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hatte vor wenigen Tagen angekündigt, bei dem Treffen auf ein mit den rheinland-pfälzischen Kommunen abgestimmtes «nachhaltiges Finanzsystem» zu drängen. Vorher werde sich die Landesregierung dafür noch einmal mit den Verbänden der Gemeinden, Städte und Kreise zusammensetzen.
Die oppositionelle CDU forderte die Ampel-Regierung nachdrücklich zum Handeln auf: «Die Kommunen bauen mit dem Gutachten dem Land eine Brücke», sagte der rheinland-pfälzische CDU-Fraktionschef Gordon Schnieder. «Wir fordern die Landesregierung dringend auf, diese Chance zu nutzen. Würden die Kommunen anderenfalls zu einem erneuten Gang vor den Verfassungsgerichtshof gezwungen werden, würde das Verhältnis zwischen Landesregierung und Kommunen endgültig irreparablen Schaden nehmen.» Ähnlich äußerte sich auch CDU-Landeschef Christian Baldauf.
AfD-Fraktionschef Michael Frisch mahnte, es müsse endlich Schluss sein mit den Ausreden und dem Wegducken der Landesregierung. Die Asylkosten der Kreise, Städte und Gemeinden müssten voll ausgeglichen werden. Die Kommunen klagten aber nicht nur über eine nicht ausreichende finanzielle Unterstützung. Auch im Wohnungsbereich, den Kitas und Schulen sowie bei der Gesundheitsversorgung übersteige die wachsende Zahl der Zuwanderer die Belastungsfähigkeit von Städten und Gemeinden.
Nach Angaben der Landesregierung wurden im Land für die Schutzsuchenden 550 weitere Aufnahmeplätze in einer Turnhalle und einem Hotel geschaffen. Seit Mai dieses Jahres nehme das Land mehr Menschen in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes auf, als in die Kommunen verteilt werden, erklärte Integrationsministerin Katharina Binz (Grüne) vor wenigen Tagen. Aufgrund der aktuell stark steigenden Zugangszahlen seien die landeseigenen Aufnahmekapazitäten zu 92 Prozent belegt.
Da auch im Herbst mit weiter steigenden Zugangszahlen zu rechnen ist, sollen nach Angaben der Ministerin weitere Aufnahmekapazitäten innerhalb und außerhalb der Landesaufnahmeeinrichtungen erschlossen werden. Seit 2022 seien die landeseigenen Aufnahmekapazitäten auf rund 7000 Plätze erweitert und damit mehr als verdoppelt worden.