Der Untersuchungsausschuss hat in seiner letzten Sitzung in diesem Jahr vier Helfer sowie zwei Mitarbeiter aus dem Innenministerium zum Management der Flutkatastrophe befragt. Der Obmann der SPD-Fraktion Nico Steinbach sagte anschließend: «Der Erkenntnisgewinn war sehr gering. Wir sollten die Beweisaufnahme jetzt bald schließen.» Die Opposition von CDU und Freien Wähler kritisierten dagegen erneut das Krisenmanagement der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) und wiederholte Forderungen nach der Ablösung von ADD-Chef Thomas Linnertz.
Der Landtags-Untersuchungsausschuss hat bisher noch zwei Termine im Januar festgelegt. In der ersten Sitzung des neuen Jahres, am 13. Januar, soll die wegen Krankheit verschobene Vernehmung der Staatsanwaltschaft nachgeholt werden. Außerdem sind der Leiter des Lagezentrums des Innenministeriums sowie ein Zeuge zu den Hubschraubervideos der Polizei aus der Flutnacht geladen, wie der Ausschussvorsitzende Martin Haller (SPD) ankündigte. Es werde ferner um Hilfsangebote privater Helfer und deren Koordination gehen. Die Themen für den 20. Januar stehen noch nicht fest. Es wird aber damit gerechnet, dass die Opposition weiterhin darauf drängt, Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) noch ein zweites Mal zu hören.
Vor allem die Vernehmung zweier Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) habe «erneut gezeigt, dass man von Seiten des Landes hätte besser auf die Bewältigung der Katastrophe vorbereitet sein können», sagte der Obmann der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid, nach der Sitzung am Freitag.
Ihm sei am Tag nach der Katastrophennacht andeutungsweise klar geworden, dass die Folgen schlimmer waren als das sogenannte Jahrhunderthochwasser 2016, hatte Martin Schiffarth vom DRK-Landesverband gesagt. «Weil die Zerstörungen exakt dem entsprachen wie Berichte von 1910.» Rettungshubschrauber mit Winde, die nachts eingesetzt werden könnten, fänden sich in Deutschland aber höchstens im alpinen Raum oder beim Militär.
Dass diese «technischen Bedürfnisse» aber spätestens seit dem Ahr-Hochwasser 2016 bekannt gewesen seien, macht das Fehlen solcher Helikopter in der Flutnacht für den Obmann der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid, «umso schlimmer». «Anscheinend wurde aus dem Hochwasser von 2016 nichts gelernt», kritisierte Wefelscheid. Dies wäre jedoch die Aufgabe der Landesbehörde ADD und ihres Chefs Thomas Linnertz gewesen.
Beweisaufnahme hat nach Einschätzung des CDU-Obmanns Dirk Herber «einmal mehr die Schwächen und Fehler der Katastrophenbewältigung gezeigt». Diese sei «ganz oben» gescheitert. «Die Führung, nicht die Hilfsbereitschaft oder Einsatzbereitschaft der vielen ehrenamtlichen Helfer, hat hier versagt, sowohl nach innen als auch nach außen.»
«Besonders bemerkenswert» ist nach Ansicht von Herber auch, «dass die freundlichen, umfassenden und konkreten Hilfsangebote - Pumpen, Stromaggregate, Transportkapazitäten - der US-Streitkräfte im Land nicht berücksichtigt wurden».
SPD-Obmann Steinbach mahnte: «Für die Betroffenen ist es unerträglich, wenn man merkt, dass es nur noch um Taktiererei geht.» Nach dem Ende der Beweisaufnahme könne es noch bis zu Monaten dauern, bis der Abschlussbericht vorgelegt werden könne.
Bei der Flutkatastrophe waren mindestens 135 Menschen im nördlichen Rheinland-Pfalz ums Leben gekommen, darunter 134 im Ahrtal. 766 Menschen wurden verletzt. Auf einer Länge von 40 Kilometern an der Ahr wurden Straßen, Brücken, Gas-, Strom- und Wasserleitungen und rund 9000 Gebäude zerstört oder schwer beschädigt. Allein im Ahrtal sind rund 42.000 Menschen betroffen, landesweit etwa 65.000. Viele leben nach wie vor in Ausweichquartieren.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen den ehemaligen Ahr-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und ein Mitglied des Krisenstabs des Kreises wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen. Pföhler hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Tod von zwölf Bewohnerinnen und Bewohnern des Lebenshilfehauses in Sinzig sind laut Staatsanwaltschaft ebenfalls Gegenstand dieses Verfahrens. Auch dabei gehe es um hinreichende Warnungen und Maßnahmen.