Rund jeder vierte Internetnutzer in Deutschland war schon einmal von Hassrede im Netz betroffen - bei jüngeren Menschen (14 bis 27 Jahre) sogar mehr als jeder Dritte. Mit einer Kampagne #ScrollNichtWeg will das rheinland-pfälzische Familien- und Jugendministerium Betroffene unterstützen, digitale Zivilcourage stärken und aufklären, wie Ministerin Katharina Binz am Montag in Mainz zum Start sagte. Die Kosten für die auf zwei Jahre angelegte Kampagne bezifferte die Grünen-Politikerin auf rund 700.000 Euro.
Junge Menschen - und dabei vor allem Mädchen und junge Frauen - seien besonders stark von digitaler Gewalt betroffen, von sexistischen Beleidigungen bis zur Androhung von Vergewaltigungen. Die Hauptzielgruppe der Kampagne seien daher 14- bis 35-Jährige mit einem besonderen Fokus auf jungen Frauen und Mädchen. Neben der Unterstützung Betroffener gehe es um die Stärkung digitaler Zivilcourage, «digital Haltung gegen Gewalt zu beziehen».
Josefina Dittmer von der Mainzer Agentur «Kontrastfilm», die die Kampagne umsetzt, riet Betroffenen: Erstens Unterstützung zu suchen - bei Beratungsstellen wie Solinet, Freunden, Eltern oder Lehrern. Zweitens einen rechtssicheren Screenshot von dem Hate-Speech-Post zu machen und drittens eine Beratungsstelle einzuschalten.
Justizminister Herbert Mertin wies darauf hin, dass die Bekämpfung von Hass und Hetze eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. «Es ist immer besser, wenn im Elternhaus, in den Kindertagesstätten und Schulen schon so erfolgreich die Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens vermittelt werden können, dass kein Einschreiten von Ermittlungsbehörden und Gerichten erforderlich wird», sagte der FDP-Politiker.
Die in Rheinland-Pfalz zuständige Zentralstelle zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus bei der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz leistet zudem bei der Aufklärung von Hasskriminalität «hervorragende Arbeit». «Allein im letzten Jahr wurden dort ungefähr 700 Ermittlungsverfahren geführt, um Hass und Hetze zu verfolgen und zu sanktionieren.»
Wegen der Ermordung von zwei Polizeibeamten in Kusel seien bei der Generalstaatsanwaltschaft bisher 264 Ermittlungsverfahren gegen identifizierte Beschuldigte eingegangen, teilte das Landeskriminalamt auf Anfrage mit. Dazu kommen 322 Verfahren, in denen der Verfasser des strafrechtlich relevanten Posts nicht identifiziert werden konnten.
Der überwiegende Anteil der Verfasser von Hasskommentaren, gegen die getötete Polizeibeamtin und den getöteten Polizeibeamten, seien männlich und im Alter zwischen 21 und 40 Jahren. «Hasskommentare konnten aber in jeder Altersstruktur festgestellt werden.» Der jüngste Verfasster war 13 Jahre alt und der älteste 76.