Das Desaster um die Vollsperrung der maroden A45-Talbrücke Rahmede wird von einem Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags aufgearbeitet. Die Opposition von SPD und FDP will dabei besonders die Rolle des früheren Verkehrsministers und heutigen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) unter die Lupe nehmen.
Für den Antrag der Oppositionsfraktionen SPD und FDP zur Einsetzung des Ausschusses stimmte am Mittwoch auch die AfD. Das notwendige Quorum war damit weit überschritten. Die CDU warf der Opposition vor, mit dem Ausschuss «eine Show» abzuziehen und ihn als Wahlkampfinstrument nutzen zu wollen.
Bei der hitzigen Debatte war die Regierungsbank fast leer. Wüst war nicht anwesend, Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) traf erst gegen Ende der Debatte ein. Zeitweise hielt Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) allein die Stellung - nachdem sich der SPD-Redner Alexander Vogt laut beklagt hatte, dass Laumann nun auch noch gehen wolle.
Zum Streit kam es über den Untersuchungszeitraum des U-Ausschusses. Dieser beginnt laut Antrag von SPD und FDP im Sommer 2017 genau mit dem Amtsantritt des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet und dessen Kabinett, in dem Wüst Verkehrsminister wurde.
CDU und Grüne machten geltend, dass die Schäden an der Rahmede-Brücke bereits aus früheren Jahren datierten und forderten in einem Änderungsantrag, den Untersuchungszeitraum im Jahr 2011 beginnen zu lassen. Letztlich scheiterten die Regierungsfraktionen trotz ihrer Mehrheit mit dem Antrag, weil sie in diesem Fall auch die Stimmen von SPD und FDP gebraucht hätten.
Der Ausschuss «Brückendesaster und Infrastrukturstau» soll sich auch insgesamt mit der Brückeninfrastruktur in NRW befassen und mögliche Versäumnisse, Fehleinschätzungen und Fehlverhalten der Landesregierung und der Ministerien aufarbeiten.
Die Talbrücke Rahmede an der deutschlandweit wichtigen Autobahn 45 war im Dezember 2021 vollständig gesperrt worden, die zentrale «Sauerlandlinie» (Frankfurt-Dortmund) ist damit unterbrochen. Seitdem belastet ein enormes Verkehrschaos die umliegende Region. Am 7. Mai soll die Brücke gesprengt werden.
Besonders angriffslustig zeigte sich der SPD-Abgeordnete Alexander Vogt. Er machte die Stoßrichtung aus Sicht der Opposition klar: «Es geht um Fehlentscheidungen des ehemaligen Verkehrsministers und jetzigen Ministerpräsidenten.» Unter Wüsts Führung sei der Brückenneubau verschoben worden. Emails seien gelöscht worden, Akten fehlten. Die Landesregierung sei «immer weiter dabei, zu vertuschen und zu verschleiern», sagte Vogt und sprach von einem «System Wüst». Die CDU wolle davon ablenken, «was der Ministerpräsident für eine Verantwortung für diesen Skandal trägt». SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty, der am Dienstag seinen Rückzug vom Vorsitz der Fraktion angekündigt hatte, trat nicht ans Rednerpult.
Wüst hatte Mitte Februar im Verkehrsausschuss des Landtags Fehler im Vorfeld der Vollsperrung der Rahmede-Talbrücke eingeräumt, persönliche Versäumnisse aus seiner Amtszeit als Verkehrsminister aber verneint. Aus heutiger Sicht sei die Entscheidung falsch gewesen, die Brücke nicht zu verstärken oder zu sanieren, sondern auf einen Neubau zu warten, hatte Wüst gesagt. Diese Entscheidung sei aber 2014 getroffen worden - noch vor seiner Amtszeit.
Nach Ansicht der Opposition sind mit der damaligen Sitzung aber längst nicht alle Fragen beantwortet. Der FDP-Politiker Christof Rasche stellte zehn Fragen. Unter anderem habe Wüst zunächst angegeben, der Neubau sei vor seiner Amtszeit als Minister verschoben worden. Das habe sich später als unzutreffend erwiesen. Der Baubeginn sollte vielmehr 2019 erfolgen und sei in der Ära Wüst verschoben worden. Die Frage sei, ob Wüst davon Kenntnis gehabt hätte. Um an Antworten zu kommen, gebe es keine andere Möglichkeit als den U-Ausschuss.
Der CDU-Abgeordnete Jörg Geerlings sagte, die Opposition stelle «Behauptungen frei von Fakten» auf. Ob und wann eine Brücke saniert oder neu gebaut werde, sei eine rein fachliche Entscheidung, keine politische. Die Opposition habe den Untersuchungsgegenstand mit fünf Themenkomplexen maximal weit formuliert, aber den Untersuchungszeitraum minimal kurz gefasst. Eine wirkliche Aufklärung müsse bereits im Jahr 2011 ansetzen, als es bereits eine Brückenhauptprüfung gegeben habe.
Den Vorsitz des U-Ausschusses soll der Grünen-Abgeordnete Stefan Engstfeld übernehmen.