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Streit über Geflüchtete und Rechtspopulismus

Die überraschende Ankündigung, den Kommunen wegen Kapazitätsengpässen in den Landeseinrichtungen vorzeitig Flüchtlinge zuzuweisen, hat vor Ort Sorgen und Empörung ausgelöst. Für die Opposition ein Anlass, die Regierung im Landtag in die Zange zu nehmen.
Marc Lürbke
Der FDP-Abgeordnete Marc Lürbke spricht im Plenum des Landtags von Nordrhein-Westfalen. © Rolf Vennenbernd/dpa

Steigende Flüchtlingszahlen stellen Land und Kommunen auch in Nordrhein-Westfalen vor gewaltige Aufgaben - gute Lösungen für Unterbringung und Akzeptanz brauchen aber viel Zeit. Das zeichnete sich am Donnerstag in einer teils hitzigen Debatte des Düsseldorfer Landtags über vorzeitige Zuweisungen an die Kommunen ab. Die drei Oppositionsfraktionen von SPD, FDP und AfD warnten vor einer Überforderung der Städte und Gemeinden. Sie verlangten von der schwarz-grünen Landesregierung mehr Unterstützung für Organisatoren und Anwohner vor Ort.

Sorge um Demokratie

«Es herrscht Chaos», sagte SPD-Vizefraktionschef Christian Dahm. Die überraschende Ankündigung, den Kommunen kurzfristig rund 1500 Flüchtlinge aus stark aus- oder sogar schon überlasteten Landeseinrichtungen zuzuweisen, erschwere eine menschenwürdige Unterbringung. «Setzen sie die Demokratie vor Ort nicht aufs Spiel», warnte er.

Der CDU-Abgeordnete Dietmar Panske stellte klar, dass es bei den vorzeitig zugewiesenen Flüchtlingen, die voraussichtlich ab nächster Woche in den Kommunen eintreffen werden, vor allem um Familien mit Kindern und guter Bleibeperspektive gehe. Die Opposition versuche, mit plumpen Vorwürfen Kapital aus der angespannten Lage zu schlagen, kritisierte sein Fraktionskollege Fabian Schrumpf.

Sechs-Punkte-Plan

NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) stellte im Landtag einen Sechs-Punkte-Plan zur Stärkung des Aufnahmesystems vor. Unter anderem sollen Anwohner künftig früher in Planungen eingebunden, Kommunikation und Konfliktmanagement verbessert und die Bezirksregierungen stärker bei der Akquise von Flächen und Gebäuden unterstützt werden. Der Bund müsse aber auch seinen Teil der Verantwortung übernehmen, um die gewaltige Gemeinschaftsaufgabe stemmen zu können, bekräftigte Paul.

«Die Kommunen brauchen keine Flyer», kommentierte Dahm Pauls Kommunikationsvorschläge. Nötig sei Planungssicherheit. Während es zur Zeit der Flüchtlingskrise 2015/16 noch mehr als 85.000 Landesplätze in NRW gegeben habe, schaffe die schwarz-grüne Regierung nicht mal ihr eigenes Ausbauziel von 35.000. Derzeit verfügt das Land über 45 Landesunterkünfte mit 30.780 Plätzen, die im Schnitt zu etwa 89 Prozent ausgelastet sind.

Eigene Vorschläge der Kommunen zur Unterbringung von Flüchtlingen in weiteren Liegenschaften seien ignoriert worden, kritisierten SPD und FDP. «Streichen Sie die völlig aus der Zeit gefallene Mindestgröße von Landeseinrichtungen», forderte Dahm.

Wahrheit und Legende zur Flüchtlingskrise 2015/16

Paul hielt dagegen, auch kleinere Einrichtungen würden geprüft. Beim Vergleich mit der Flüchtlingskrise 2015/16 dürfe nicht vergessen werden, dass auch damals schon kurzfristige Zuweisungen an die Kommunen nötig gewesen seien: «Das ist keine neue Erfindung von Schwarz-Grün.»

Zur Wahrheit gehöre auch, dass etwa 69 000 der damals rund 85.000 Plätze in Notunterkünften wie Turn- und Schützenhallen, Zeltstädten und anderen Provisorien eingerichtet worden seien, ergänzte der Landesparteichef der Grünen, Tim Achtermeyer. Er warnte davor, eine Organisationsunfähigkeit des Staates herbeizureden. Langsam sickerten Abschiebe-Parolen auch in bürgerliche Milieus. Die demokratischen Kräfte müssten gemeinsam deutlich machen, «dass das keine Haltung ist».

Geld für freiwillige Rückkehr

Erstmals werde das Land aber auch Haushaltsmittel für eigene Konzepte zur freiwilligen Rückkehr nutzen, hatte Paul zuvor der Deutschen Presse-Agentur angekündigt. «Im Interesse aller Beteiligten ist die freiwillige Ausreise gegenüber einer zwangsweisen Rückführung die bessere Option.» Hilfreich wären die vom Bund in Aussicht gestellten Migrationsabkommen mit den Herkunftsländern, sagte sie im Landtag.

Die SPD warf der Landesregierung vor, stets auf den Bund zu zeigen, statt der eigenen Verantwortung gerecht zu werden. Der Vizevorsitzende der FDP-Fraktion, Marc Lürbke, sprach von einem «Offenbarungseid». Mehr als ein Drittel der NRW-Kommunen habe bereits im vergangenen Jahr eine Überlastungsanzeige gestellt.

Bürger zwischen Strapazen und Rechtspopulismus

Die AfD warnte vor einer Überforderung der Bürger. «Wir haben längst verstanden, dass die bedingungslose Willkommenskultur ein Ende hat», sagte ihre Vizefraktionschefin Enxhi Seli-Zacharias.

Die Ankündigung der Ministerin, mehr Informationsmaterial und Mediatoren in der Kommunikation mit Anwohnern einzusetzen, die plötzlich mit Flüchtlingseinrichtungen konfrontiert seien, sei «eine Lachnummer», bemängelte die Politologin. Sie forderte Paul auf, sich in einer Bürgersprechstunde selbst die Sorgen der Betroffenen anzuhören. Zur Ehrlichkeit gehöre auch, offen über die Kosten zu sprechen. In diesem Jahr kalkuliert die Regierung mit mehr als 580 Millionen Euro an Kosten in den Asyl-Einrichtungen des Landes.

Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer äußerte ihre Sorge über die wachsende Zustimmung zu rechtspopulistischen Positionen. «Aktuell steigen die flüchtlingsfeindlichen Straftaten in Deutschland wieder an», warnte sie. Demokraten dürften keine Stimmungen entstehen lassen, «die Rechte als Legitimation für ihre Taten nutzen können».

© dpa ⁄ Bettina Grönewald, dpa
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