Knapp ein Jahr nach Amtsantritt von Schwarz-Grün in Nordrhein-Westfalen hat die oppositionelle SPD das Regierungsbündnis als «Koalition der enttäuschten Hoffnungen» bezeichnet. Es gebe «kein Wachstum, keinen Aufbruch und keinen Fortschritt», sagte der neue SPD-Fraktionsvorsitzende Jochen Ott am Dienstag in Düsseldorf. «Schwarz-Grün ist eine konservative Regierung im Stand-by-Modus.» Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) regiere das Land «im Schlafwagen» und sei «ambitionslos».
Dem CDU-Regierungschef seien «schöne Fotos» wichtiger als der demokratische Streit um die richtigen Lösungen. Die Demokratie müsse aber Antworten bieten, sagte Ott auch mit Blick auf das Erstarken der rechtspopulistischen AfD in bundespolitischen Umfragen. «Ich glaube, dass diese Demokratie Antworten braucht, den Streit um den richtigen Weg - und nicht um den Weg zu den schönsten Fotos», sagte Ott.
Auch das Urteil des SPD-Oppositionsführers über die Grünen in der Landesregierung fiel harsch aus: «Die Grünen sind hinter Wüst im letzten Jahr komplett verschwunden», sagte Ott. Die Grünen in NRW hätten sich von früheren Herzensthemen wie der Bildungspolitik oder Inklusion verabschiedet. «Die Grünen setzen alles auf eine Karte - auf wenige Themen, die sie versuchen voranzutreiben.» Während die NRW-Wirtschaft schrumpfe sei Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) «nur eine Beobachterin des Geschehens und keine Akteurin».
Schwarz-Grün rühme sich für «geräuschloses Arbeiten», sagte Ott weiter. Die Regierung habe trotz ihrer Strategie der Fehlervermeidung in zwölf Monaten schon viele Fehler gemacht. Ott nannte das «Brücken-Desaster» um die Sperrung und den Abriss der Rahmede-Talbrücke auf der vielbefahrenen «Sauerlandlinie» der A45.
Schwarz-Grün habe auch das «chaotischste Haushaltsverfahren in der Geschichte des Landes» geliefert und NRW mit einer Download-Panne bei den Abiturklausuren bundesweit zum Gespött gemacht. «Die Euphorie ist verflogen und die Hoffnungen sind es auch», sagte Ott. «Stattdessen hat sich Enttäuschung breit gemacht.»
Wüst zeige bei Krisen und deren Lösung immer nur nach Berlin. Er sei «lieber ein Insta-Präsident als ein Ministerpräsident», sagte der SPD-Fraktionschef. «Was keine schönen Fotos produziert, hat keine Priorität.» Ott warf Schwarz-Grün vor, keine Koalition für Menschen zu sein, die sich Sorgen wegen ihrer Mieten, steigender Preise oder Bildungschancen ihrer Kinder machten. Aus dem fünf Milliarden schweren Unterstützungspaket zur Bewältigung der Krise infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine seien noch nicht einmal eine Milliarde Euro ausgezahlt. Dabei seien sogar schon 2,3 Milliarden genehmigt.