Der Präsident der Psychotherapeutenkammer NRW, Gerd Höhner, wies Forderungen nach einer Senkung des Alters der Strafmündigkeit zurück. Er sei absolut dagegen: «Das ist ein Appell, der mehr mit den Fordernden zu tun hat, als mit der Forderung selbst. Man will damit die eigene Hilflosigkeit überwinden und fordert etwas, ohne es länger zu bedenken», sagte Höhner der «Rheinischen Post».
«Ich glaube auch nicht, dass es etwas nutzen würde. Fangen wir dann an, Kinderstrafanstalten zu errichten?» Die Debatte war nach der Tötung der zwölfjährigen Luise aus dem nordrhein-westfälischen Freudenberg entbrannt. Die mutmaßlichen Täterinnen sind mit 12 und 13 Jahren selbst Kinder und damit strafunmündig. Die Tat von Freudenberg sei in ihrer Ausprägung ein absoluter Einzelfall, sagte Höhner.
Die Rechtsnorm der Strafmündigkeit ab 14 Jahren habe einen guten Grund: «Das deutsche Strafrecht setzt Schuld für Strafe voraus.» Die Strafmündigkeit beinhalte eine moralisch-ethische Reife. «Das Kind muss nicht nur wissen, dass es etwas nicht tun darf, sondern auch intellektuell in der Lage sein, eine äußere Norm für sich selbst zu übernehmen.»
Höhner, der jahrelange Erfahrung mit kriminellen Kindern hat, widersprach der Behauptung der Ermittler, dass Erwachsene die Motive der Kinder nicht nachvollziehen könnten. Die grundlegenden Emotionen wie Wut und Eifersucht könnten Erwachsene sehr wohl verstehen. «Es stellt sich eher die Frage, wie man mit Kindern in eine Kommunikation kommt.»
Im Fall Freudenberg würde ihn aber viel mehr beschäftigen, was in der Kommunikation der beiden mutmaßlichen Täterinnen passiert sei. «Denn es scheint keine reine Affekttat gewesen zu sein.» Zwölfjährige trügen in der Regel keine Messer bei sich. Auch der Fund- und Tatort spreche gegen eine reine Affekttat. «Es scheint zumindest eine Idee hinter der Tat gestanden zu haben», sagte Höhner.