Trotz Kritik von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beharrt die nordrhein-westfälische Regierung auf ihren Forderungen nach mehr Bundeshilfe bei der Flüchtlingsunterbringung. Faesers Zweifel an der Berechtigung solcher Forderungen nannte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) «ein fatales Signal für die kommunale Familie und für die Menschen vor Ort, die am Rande ihrer Belastungsgrenze arbeiten, um den schutzsuchenden Menschen gerecht zu werden».
Die Kommunen leisteten Herausragendes bei Unterbringung, Integration, Betreuung und Bildung von Flüchtlingen, sagte der Vizevorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. «Dass ihre Hilferufe von der Ampel-Regierung abgetan werden, ist überhaupt nicht nachvollziehbar und sorgt vor Ort für größtes Unverständnis.»
Der Bund müsse sich klar zu seiner Verantwortung bekennen, gerade bei der fairen Verteilung der Kosten, bekräftigte Wüst. «Wir als Länder sind uns parteiübergreifend einig, die Flüchtlingsausgaben hälftig zwischen Bund und Ländern aufzuteilen.» Für NRW stelle sich die Situation aktuell aber so dar: Nach den jetzigen Beschlüssen liege die Beteiligung des Bundes nur noch bei rund 16 Prozent, 2016 habe sie dagegen noch deutlich mehr als das Doppelte umfasst.
«Vor diesem Hintergrund ist die Verwunderung der Bundesinnenministerin darüber, dass das Geld des Bundes für dieses Jahr nicht reicht, sehr befremdlich», kritisierte der CDU-Politiker. Seit Wochen gebe es keine Bewegung in der Sache. «So darf es nicht weitergehen. Die Konferenz mit dem Bundeskanzler am 10. Mai muss endlich Ergebnisse bringen.»
Auch NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) betonte: «Wir müssen weg von immer neuen Einmalzahlungen und hin zu einer strukturellen finanziellen Beteiligung des Bundes.» Da Integration eine Daueraufgabe sei, sei es mit Sonderzahlungen nicht getan. Der Bund müsse Länder und Kommunen auch durch eine Integrationspauschale dauerhaft unterstützen.
Großen Nachholbedarf sieht die Ministerin zudem bei der Bereitstellung geeigneter Liegenschaften. Von den zuletzt von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vorgeschlagenen 36 Objekten komme keines für eine Nutzung als Flüchtlingsunterkunft des Landes in Betracht.
Auch in anderen Ländern sowie bei Vertretern von Kommunen und Opposition löste Faeser viel Unmut mit ihrer Erklärung aus, sie könne Forderungen nach mehr Bundesmitteln für die Unterbringung von Flüchtlingen und Migranten zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachvollziehen. «Ich finde es seltsam, wenn jetzt schon - Anfang April dieses Jahres - gesagt wird, das Geld für dieses Jahr reiche nicht aus», sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag).
Der Bund habe 2022 schon 4,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt und die Sozialleistungen für die Flüchtlinge aus der Ukraine übernommen. Ferner habe er Ländern und Kommunen frühzeitig 2,75 Milliarden Euro an zusätzlicher Unterstützung zugesagt. Faeser verwies auf einen Bund-Länder-Gipfel mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), bei dem am 10. Mai über die Flüchtlingskosten beraten werden soll.
Unterdessen plant NRW Veränderungen beim Anrechnungsschlüssel für die Flüchtlingsunterbringung zugunsten der Kommunen. «Die Geflüchteten, die in Landesunterkünften untergebracht sind, werden eins zu eins - also zu 100 Prozent - auf die Aufnahmeverpflichtung der Kommunen angerechnet», sagte Paul der «Rheinischen Post» in Düsseldorf (Donnerstag/online). «Wir hoffen, dadurch einen gewissen Anreiz bieten zu können, dass Kommunen gemeinsam mit uns weitere Landesaufnahmeeinrichtungen entwickeln.»
Bislang wird die Belegung von Landesnotunterkünften oder zentralen Unterbringungen nach Angaben des Ministeriums zu 50 Prozent auf die Aufnahmeverpflichtung der Kommunen angerechnet, in denen sie sich befinden. Bei Erstaufnahme-Einrichtungen seien es 70 Prozent. Der Anrechnungsschlüssel im Flüchtlingsaufnahmegesetz solle möglichst schnell geändert werden, stellte Paul in Aussicht.